Aus dem zehnten Capitel .
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auf den Einfall gerathen fey , Englische Wochenschriften wochenblattmässig zu übersetzen . Wegen der dreisten und treffenden Satyren auf alte Stände müsse man , sagt er , das Land beneiden , wo man so schreiben darf ; und so etwas lese man doch in Deutschland gerne , wenn es aus der Ferne 5 kommt . Das mehreste von London passe noch so genau auf unsere grossen Städte , daß man über die Aehnlichkeit erstaune . Aber freilich dürfe man keinem deutschen Schriftsteller rathen so bitter die Thorheiten unserer Assembleen und Höfe zu schildern .
Warum nicht ? Ein deutscher Schriftsteller kann alles schildern , so - bald er nicht Beförderung sticht , sobald er allem Ansprüche auf den Bey - fall unverständiger Menschen entsagt , und also auf keine Weife von Nr - theilen und Leidenschaften der Menschen abhängt . Er ist frei ) wie ein Vogel in der Lust , wenn vollends sein Landesherr zu groß , zu menschlich , und zu erhaben denkt , um Preßsreyheit , die nützlich seyn kann , zu ver - is bieten , oder Unterdrückung von irgend einer Art in seinem Lande zu dulden oder gar jemand eines Epigramms wegen für sein Lebenlang auf eine Bergfestung zu setzen .
Deutsche waren zwar klein genug , um den Kaiser Joseph gegen Preßfreyheit zu warnen . Furcht gegen Freyheit durften Deutsche einem so Kaiser äussern , der das Panier von Monarchenfreyheit mit seiner Hand gegen die dreifache Krone erhebet , der Gedankenfreyheit in allen seinen Staaten sodert , und mehr als Jahrhunderte zu denken vermochten und denken durften , iu einem Jahre that . Als Herr von Sonnenfels den Hans Wurst von dem Wienerischen Theater verjagte , und sich eben um diese Zeit auch 25 an dein Cardinal Migazzi versündigte , sagte Kaiser Joseph zu diesem Denker : yous vous brouilles avec les chapeaux vereis et avec Jes chapeaux rouges . Dieses Wort hielt ich , im Jahre 1771 da es mir erzählet ward , für eine Prophezeyung . In Wien mag es , wenn es bekannt war , lange gewirket haben im Stillen . Aber wenn alles vorbereitet ist , dann ergreift 3» der hohe Sinn eines solchen Wortes wie elektrisches Feuer das ganze Volk , und es tritt , schneller als man glaubt und erwartet , in den ersten Rang der Völker .
Falsch ist es also , daß man nur in Republiken Herz und Seele habe , daß man da keck und kühn die Wahrheit sage , daß es nur da heisse , 35 wer frei ) darf denken der denkt gut . In aristocratifchen Republiken zu - mal , auch in weit freyern Verfassungen wo aber doch ein einziger Dema - goge den Kahn regiert , hält man leider Menschenverstand nur zu oft für ein Verbrechen . Dieß macht die Seelen feigherzig , alfo nicht frey . In Deutschland straft , Gott Lob , fast überall die Justitz ; in Republiken zu -
18f . Kaiser Joseph hat der Feder und der Presse die Freyheit gegeben , ohne ans die kleinsinnige Besorglichkeit zu hören , daß man sie gegen Ihn selbst mißbrauchen könnte — sagt Herr von Sonnenfels . Anrtt . Z>s , — 2G f . Vgl , darüber Franz Kopetzky , Joseph und Franz von Sonnenfels ( Wien 1882 ) S . 7 - i ff .
Fabeldichter , Satiriker it . Popularphilos . d , 18 . Jahrh . 31