Zur 26. Fachkonferenz Ethnomedizin “Stranger and Friend”, Sankt Augustin 2013
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Anmerkungen zur 26.
Fachkonferenz Ethnomedizin
“Stranger and Friend”, Sankt
Augustin 2013
Geschichte zusammengestellt. Habt Nachsicht, Freun-
de, wenn ich mich vielleicht manchmal wiederhole;
.ier spreche ich ja von meiner Liebe.“
So richtig kam das Thema damals im kleinen
Kieler Ethnologie-seminar nicht an.
Nach der unspezifischen vielleicht (emisch-)
kulturimmanenten Neugier europäischer Jungen an
den fremden Kulturen, die sich später für das Stu-
dienfach Völkerkunde interessieren, kam ich in den
mittleren Studienjahren dann durch den Aufsatz von
Claude Levi-Strauss „zur modernen Krise der An-
‘hropologie‘“ zum Nachdenken über ethnologisches
Arbeiten. Ein Kernsatz darin war:
„Der Anthropologe muss sich in seinem ganzen Wesen
wandeln und zugeben, dass es in der Tat logisch und
moralisch unhaltbar ist, menschliche Gesellschaften,
die sich als Kollektivsubjekte durchsetzen und daraus
das Recht ableiten, sich nach Gutdünken zu ändern,
weiterhin als wissenschaftliche Objekte zu betrach-
;en. Diese Wandlung des Studienobjekts schließt eine
Wandlung der Ziele und Methoden in sich ein.“
Der Gedanke, dass schon durch den Kontakt
die Untersuchersituation und insbesondere die des
Untersuchten und des Untersuchers sich ändern,
eschäftigte mich seither. Das Einbeziehen des
Nachdenkens über sich als erkennendes Subjekt,
wie ich es im Rahmen anamnestischer Übungen im
Medizinstudium in den Bereichen Psychiatrie und
Psychosomatik in Heidelberg anfangs erlernte, ließ
mich dann nicht mehr los, dies umso mehr, weil ich
mich wie viele für Aufgaben und Tätigkeiten im
Rahmen der damals so genannten Entwicklungs-
hilfe interessierte und durch die unterschiedlichen
stark politisierten postkolonialen Diskurse beson-
ders motiviert fühlte. Was macht man da eigentlich
als Ethnologe in einer Felduntersuchung oder als
Arzt in einem eher frei gewählten Arbeitsfeld, das
humanitär begründet wird?
Es gab sie sicher schon immer in der deutsch-
sprachigen Ethnologie, eine selbstreflexive Strö-
mung wie auch eine interdisziplinäre Ausrichtung
des Faches, wenn auch diese beiden Thematiken
nicht im Mittelpunkt der medialen Präsentation
des Faches standen wie heute. So hab ich jetzt in
den aufgehobenen Unterlagen der späteren Main-
zer Studienjahre ein Referat aus dem SS 1976 zur
Allgemeinen Ethnologie von E.W. Müller gefun-
den, in dem Angelica Ensel (heute Hamburg) einen
ainschlägigen Aufsatz von Klaus-Peter Koepping
referierte.‘ Und ein Jahr später wurde es mir in ei-
EKKEHARD SCHRÖDER
[n diesen Anmerkungen möchte ich mit einem Zi-
‘at von SJAAK VAN DER GEEST aus den ersten Seiten
dieses Curare-Heftes anknüpfen (S. 6), in dem er
die potentiellen Dimensionen der ganz persönlichen
Beziehung zwischen Feldforschern und Informan-
ten charakterisiert: “Friendship is a human relation-
ship in which the other is treated as a complete human
‚eing. ... We cannot deny it: other people’s misery 1s
:he food of our profession. Friendship cannot stop us.
My final opinion is that the biography is both a pro-
fessional masterpiece and an act of love, the ultimate
reconciliation between utility and friendship.”
Ich erinnere mich, dass ich während meines
Doppelstudiums der Medizin und der Ethnologie
%üh auf die Reisebeschreibungen von ADALBERT
VON CHAMISSO aus dem frühen 19. Jh. gestoßen bin,
die ich in einer selbst gestellten Aufgabe in den ers-
jen Semestern vortrug. Dabei beeindruckte mich
Chamissos explizite Würdigung seines damaligen
Reisegefährten Kadu:
„Mein Freund Kadu, der [...] sich uns anschloss, einer
der schönsten Charaktere, den ich je in meinem Leben
getroffen habe, einer der Menschen, den ich am meis-
‚en geliebt, ward später mein Lehrer über Radack und
die Karolineninseln. In meinem Aufsatze ‚Über unsere
Kenntnis der ersten Provinz des Großen Ozeans‘ habe
ich seiner, als einer wissenschaftlichen Auctorität, zu
arwähnen gehabt, und habe dort aus den verstreuten
Zügen unseres Zusammenlebens sein Leben und seine
Kadu.
Chamissos
Freund und
Reisegenosse
aus Radack'
Jurare 38(2015)1+2: 159-161