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Volltext: Jahrbuch für Volkskunde, 28.2005 N.F.

Die bayerische Dorfverfassung und ihre Auswirkungen auf 
die sogenannte Volkskultur der Frühen Neuzeit* 
Walter Hartinger 
Die Experten unter Ihnen wissen, daß es weder die altbayerische Dorfverfassung 
noch die Volkskultur! der Frühen Neuzeit gegeben hat. Um nun nicht gleich wieder 
abzutreten und mit dem kürzesten Vortrag aller Zeiten ins Guiness-Buch der Rekorde 
einzugehen, müssen klärende Worte vorausgeschickt werden. Unter bayerisch verstehe 
ich altbayerisch, meine Beispiele stammen aber fast ausschließlich aus der Oberpfalz 
und Niederbayern. Verfassung meint rechtliche Verfaßtheit, keinen Zustand aufgrund 
eines legislativen Aktes und auch nicht bindend für den Raum des gesamten Stammes- 
herzogtums, wohl aber ein Ordnungssystem, das lokale oder regionale Geltung hatte 
ınd sich häufig auf Geschriebenes stützte. Unter „Volkskultur“ verstehe ich die je- 
weils zeittypischen Lebensumstände der ländlichen und kleinstädtischen Bevölkerung, 
die ich hier für den Zeitraum von etwa 1450 bis 1800 und für Altbayern zu einer Ein- 
heit zusammenfasse”. 
[ch vergröbere also mit jedem Wort, das ich sage, auch mit der einleitenden Be- 
ıauptung: Es gab so etwas wie eine Verfassung der altbayerischen Gemeinde mit ei- 
nem definierten Aktionspotential ihrer Mitglieder, das es wert ist, in der Forschung 
aufgegriffen zu werden. Die bisherige Literatur hat in der Regel in umgekehrter Rich- 
jung generalisiert, wenn sie mit vergleichendem Blick auf Franken und Schwaben be- 
hauptete, im zentralistischen Flächenstaat Bayern habe sich keine nennenswerte dörfli- 
°he Autonomie entfalten können, weil alles unter dem Würgegriff der Münchner Zen- 
ralverwaltung stramm-einheitlich ausgerichtet worden sei‘. Anlaß zu dieser Schluß- 
folgerung war der Mangel an auffindbaren Dorfordnungen. Die wenigen bei JACOB 
Vortrag, gehalten am 29. September 2004 auf der Generalversammlung der Görres-Gesell- 
schaft, Sektion Volkskunde, in Osnabrück. 
Vor allem WOLFGANG BRÜCKNER insistiert seit vielen Jahren auf einer reflektierten Verwen- 
dung von gängigen volkskundlichen Fachtermini, worunter auch die „Volkskultur“ zählt, die 
bei BRÜCKNER meist mit Anführungszeichen erscheint oder mit dem Zusatz „sogenannte“ 
Volkskultur; vgl. etliche Aufsätze in dem ersten Band der gesammelten kleineren Schriften: 
BRÜCKNER, WOLFGANG: Kultur und Volk. Begriffe, Probleme, Ideengeschichte (= Volks- 
<unde als historische Kulturwissenschaft 1; zugl. Veröffentlichungen zur Volkskunde und 
Kulturgeschichte 77). Würzburg 2000. 
Grundsätzliche Überlegungen zu den entsprechenden Generalisierungs-Möglichkeiten bei 
WALTER HARTINGER, Epochen der deutschen Volkskultur. In: Ethnologia Europaeca 15 
(1985), S. 53-92. 
RENATE BLICKLE faßt die ältere Forschung korrekt zusammen, wenn sie 1983 schreibt: „Die 
bayerische Landgemeinde gilt als relativ unentwickelt. Zumal die landgerichtische Dorfge- 
meinde blieb, paralysiert durch die staatliche Obmannschaftsgliederung und den Verlust des 
örtlichen Gerichts, auf den wirtschaftlichen Sektor eingeengt“. — BLICKLE, RENATE: Agrari- 
sche Konflikte und Eigentumsordnung in Altbayern 1400-1800. In: SCHULZE, WINFRIED 
(Hg): Aufstände, Revolten, Prozesse. Beiträge zur bäuerlichen Widerstandsbewegung im 
{rühneuzeitlichen Europa. 5. Aufl. Stuttgart 1983, S. 166-187, hier S. 172.
	        
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