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Volltext: Jahrbuch für Volkskunde, 15.1992 N.F.

Fastnacht und Hölle 
Zur Herkunft von Begriff und Sache im Nürnberger Schembartlauf 
In diesem Jahrbuch ist die große Diskussion um die Möglichkeit einer generellen in- 
terpretatio christiana der europäischen Fastnachtsbräuche geführt worden*. Dabei 
hat deren Protagonist, Dırrz-RÜDIGER Moser, die Bezeichnung der Umzugswagen 
des Nürnberger Schembartlaufs aus der Zeit von 1449 bis 1539 als »>Höllen« zu einem 
Hauptargument für seine Theorie einer dahinterstehenden systematischen Todsün- 
denallegorese gemacht?. Sein Schüler JURGEn KÜSsTER lieferte dafür in seiner 1983 
veröffentlichten Freiburger Dissertation die Details?. Danach soll sich »Schembart« 
von »Scheinbote« herleiten, also teuflischer Abgesandter heißen im Gegensatz zu den 
zwölf Boten, den neutestamentlichen Aposteln. Die unterschiedlichen Höllen der 
einzelnen Jahre und ihr Personal aber verkörperten (abwechselnd?) die sieben Tod- 
sünden. 
D.-R. Moser verwirft die vorsichtigen und differenzierenden Formulierungen 
der Tübinger Dissertation von HAns-ULRICH ROLLER aus dem Jahre 1965, daß bisher 
»keine ganz überzeugende Erklärung für die Bezeichnung »Hölle« gefunden« wor- 
den sei. Hölle meine in dieser Zeit schließlich immer »die« Hölle, so D.-R. Moser* 
Mithin braucht er nur noch Belege aneinanderzureihen, um zu zeigen, wie man da- 
mals die Teufelshölle allegorisch verbildlichen konnte. Roller hingegen hatte ledig: 
lich korrekt vermerkt: »Die Namensherkunft der Höllen kann also nicht geklärt wer- 
den«>, Die mögliche und eventuelle nachträgliche oder gelegentliche Ausdeutung 
ließ er davon unberührt. Roller ging vielmehr als erster Volkskundler in der phanta- 
siereichen Forschungsgeschichte zum Schembartlauf methodisch sauber ohne vorge- 
faßte Theorie an die historische Überlieferung der einstigen Brauchphänomene he- 
ran. 
[m Jahre 1475 tritt im Schembartlauf als Innovation die erste »Hölle« auf; ihre spä- 
tere bildliche Darstellung in den Handschriften beruht auf keinerlei zeitgenössischer 
Anschauung. Das Stürmen und Verbrennen des Wagens ist erstmals 18 Jahre später, 
1493, bezeugt, mithin wird eine Brauchentwicklung sichtbar und kein vorgegebenes 
Konzept. Auch ROLLER bezieht die Bezeichnung »Hölle« u.a. auf die zeitgenössi- 
ı Brauchforschung auf dem Prüfstand. In: JbfVk NF 5 (1982) mit Beiträgen von W. Brück- 
ner, H. Moser, L. Remling. — Fastnachtsforschung. In: ebd. 6 (1983) mit Beiträgen von D.-R. 
Moser, J. Küster sowie Diskussionsbeiträgen von D.-R. Moser, W. Mezger, E. Harvolk. H. 
Trümpy, L. Remling, H. Bausinger. — Fastnachtsforschung. In: ebd. 7 (1984) mit Beiträgen 
von W. Brückner, N. Schindler, W. Pfaundler. — Lit. z. Fastnacht. In: ebd. 8 (1985) mit Bei- 
trägen von W. Röllin, F. Grieshofer, W. Brückner. 
ı D.-R. Moser in JbfVk NF 6 (1983), S. 38-45. 
>» KUSTER, JURGEN: Spectaculum Vitiorum. Studien zur Intentionalität und Geschichte dee 
Nürnberger Schembart-Laufes (= Kulturgeschichtliche Forschungen 2). Remscheid 1983 
* Moser (wie Anm. 2), S. 38f. 
5 RoLLEr, Hans-ULrRicH: Der Nürnberger Schembartlauf. Studien zum Fest- und Maskenwe- 
sen des späten Mittelalters (= Volksleben, Untersuchungen d. Ludwig-Uhland-Instituts 11), 
Tübingen 1965, S. 102.
	        
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