Der Aragonesische Kannenorden und sein Emblem
Eine »Maikrug«-Nachlese
Constanze Hofmann-Rendtel
WOLFGANG BRÜCKNER hat in seinem Festvortrag zum zwanzigjährigen Bestehen des
Instituts für mittelalterliche Realienkunde Österreichs in Krems die christliche Her-
kunft des sogenannten Lebensbaum-Motivs in Profanikonographie und Volkskunst
dargestellt!. Er konnte dabei auf die Wechselwirkungen von dreidimensionalem
Kunstblumenstrauß als »Altarbuschen« und gemaltem »Maikrug« verweisen sowie an
die frühen Zusammenhänge von Blumenstilleben und Marienattribut erinnern. Die
sachliche wie formale Parallele bildet die charakteristische doppelhenkelige Metall-
vase, auch italienischer oder Renaissance-Krug genannt. Genau dieser taucht schon
um die Wende zum 15. Jahrhundert als Emblem bei einer königlichen Ritterbruder-
schaft auf, die danach den bezeichnenden Namen »Kannenorden« führte.
Dieser Aragonesische Kannenorden wurde am 15. März 1403, dem Festtag der
Verkündigung Mariens, von FERDINAND VON ANTEQUERA (1373-1416), Sohn König
JoHanns I. von Kastilien, gestiftet, und zwar, wie die in einer Handschrift des Esco-
rial erhaltenen Statuten besagen, zu Ehren der Jungfrau Maria und im Gedenken an
die Verkündigung Christi?. Als Emblem seines neugegründeten Ritterordens wählte
Ferdinand ein geläufiges mariologisches Symbol, die Lilienvase »la Jarra de la Saluta-
ciön«. Größere Bedeutung erlangte der Kannenorden erst nach 1412 durch Ferdi-
nands Nachfolger auf dem aragonesisch-sizilianischen Thron. Dennoch scheint die
Verleihung ziemlich freizügig praktiziert worden zu sein im Gegensatz zu anderen
königlichen Ritterorden. Besonders begehrt war der Kannenorden offenbar bei deut-
schen Rittern und Patriziern. Etliche scheinen den Orden im Anschluß an eine Jeru-
salempilgerfahrt erhalten zu haben, während sie FERDINANDS Sohn und Nachfolger,
ALFons V. (1416-1458), in Neapel, das seit 1443 wieder aragonesisch war, ihre Auf-
wartung machten. Durch die Vereinigung von Aragon und Kastilien im Jahre 1479
wurde der Kannenorden zum wichtigsten spanischen Ritterorden bis 1516, als Karl I.
(1516-1556), Sohn PrILIPPS des Schönen, ihn zugunsten des von seinen burgundi-
schen Vorfahren gestifteten Ordens vom Goldenen Vlies aufgab.
Eine größere Zahl von Portraits und Grabdenkmälern aus der Zeit zwischen ca.
1430 bis 1515 gibt Aufschluß über das Aussehen des Ordensemblems. Es bestand aus
einer henkellosen oder auch mehrhenkeligen Vase bzw. Kanne, aus der drei weiße
Lilien oder drei blaue Blumen herausschauen, und wurde entweder als Goldschmie-
ı BRUCKNER, WoLrGanG: Der Blumenstrauß als Realie, Gebrauchs- und Bedeutungswandel ei-
nes Kunstproduktes aus dem christlichen Kult, In: 20 Jahre Institut für Realienkunde des Mit-
telalters und der frühen Neuzeit der Österr. Akademie der Wissenschaften (= Medium aevum
quotidianum, hg. von Gerhard Jaritz, 25). Krems 1992, S. 19-62.
2 BouLToN, D’Arcy JoNaTHAN Dacre: The Knights of the Crown. The Monarchical Orders
of Knighthood in Later Medieval Europe 1325-1520. New York 1987, S. 330-338.