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Volltext: Jahrbuch für Volkskunde, 15.1992 N.F.

Die Göttelbriefe im Elsaß 
Quelle der Mentalitätsgeschichte im deutschsprachig-protestantischen Raum 
Dominique Lerch* 
Die Göttel- oder Patenbriefe sind handgeschriebene, später lithographierte — be- 
malte, unbemalte, nur beschriebene oder mit Bildern versehene — Dokumente, die der 
Pate oder die Patin, oder auch beide zusammen, ihrem Patenkind mit einer Geld- 
münze schenkten. Ein Geldgeschenk anläßlich einer Taufe ist zum ersten Mal im 13. 
Jahrhundert im Hl. Römischen Reich Deutscher Nation belegt; es wurde als solches 
in den Nachlaßinventaren angeführt. Der Göttelbrief stützte sich auf diese Gepflo- 
genheit und erklärte die Gabe in einem Diskurs!. Ende des 16. Jahrhunderts bezog 
sich der hier vorliegende erste Göttelbrief aus Zabern (Bas-Rhin) wortwörtlich und 
nicht ohne Humor darauf: Und verehre uf dis mal meinem geliebten jungen Gettel mit 
diesen 2 stucklin Goldes. Gott geb dass ich sege kunftig besser beegaaben könne?. Zwei 
Goldstücke werden hier geschenkt und der Pate hofft, daß er demnächst mehr zu 
schenken in der Lage ist. 
Der Göttelbrief ist bereits für 1593 belegt und wurde zwichen 1629 und 1640 in 
Danzig, 1654 in Breslau und 1678 in Jena in fortschreitendem Maße zur festen Ge- 
wohnheit. Im 17. Jahrhundert gab Jakos ZysseT für die Schweiz Textmuster der ge- 
bräuchlichsten Verse an?. Kupferstiche, dann Lithographien bestimmten den Markt, 
der sich an alle protestantischen Täuflinge richtete, manchesmal sogar in zwei Exem- 
plaren, da es oft mehrere Paten mit dem entsprechenden Geldgeschenk gab. 
So bot ein Dresdener Verlag in seinem Katalog des Jahres 1900 siebenhundert ver- 
schiedene Modelle an“. Diese weite Verbreitung ließ jedoch langsam nach und zwar 
zwischen den beiden Weltkriegen. Für die Zeit von 1596 bis 1930 ist das Phänomen 
Göttelbrief belegt, so daß ein Korpus zusammengestellt werden konnte. Für das El- 
saß liegen 1043 Patenbriefe vor, die sich anhand des gleichen Wortlauts auf 305 ver- 
schiedene Texttypen verminderten. 
* Ins Deutsche übertragen von WALTRAUD Hayn, M.A., Würzburg. 
‘ Es liegen für den deutschsprachigen Raum (auch für Pennsylvanien/USA) zahlreiche Veröf- 
fentlichungen vor. Die entsprechende Rezension findet sich in der Habilitationsschrift des Au- 
tors: LERCH, DomIniqQue: Imagerie populaire et piet& populaire en Alsace (vers 1600, vers 
1960). Recherches, Paris I Sorbonne 1987, 1169 S., sous la direction de M. AGULHON, MAU- 
RICE, professeur au College de France. — Die Arbeit von PıesKe, CHRISTA (unter ADOLF SPA- 
MER): Über den Patenbrief. In: Beiträge zur deutschen Volks- und Altertumskunde 2/3 
(1958), S. 85-121, verdient besondere Aufmerksamkeit. 
* BAcHMEreER, L.: Zur Kenntnis der Göttelbriefe im Elsaß. In: Jahrbuch der Elsaß-Lothringi- 
schen Wissenschaftlichen Gesellschaft zu Straßburg 1935, S. 136-140. 
* Ruzı, C.: Taufe und Taufzettel im Bernerland. Bern 1968, S. 32. — WEBER, KonraD: Berner 
Taufzettel. Funktion und Formen vom 17. bis 19. Jahrhundert. Bern 1991. 
LE DIESKE, CHRrısTA: Patenbriefe aus dem St. Annenmuseum. In: Der Wagen 1962, S. 74-81, 
jer S. 78
	        
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