Bernward Deneke
betrachtet — doch auch immer wieder bemerkenswerte Einblicke in die Sach-
kultur der einzelnen hier behandelten Gebiete. Unter dem Volkskunstbegriff
erhielten in der Dokumentation sonst vernachlässigte Dingbereiche — wenn
auch selektiv — eine Überlebenschance für künftige Sichtungen und Erörte-
rungen, Jedoch scheiterten die Bestrebungen, generalisierend Merkmale für
Volkskunst zu benennen und hieran weiterführende Interpretationen zu
knüpfen; man denke zum Beispiel an Kurt Freyers Versuch, die volkstümli-
chen Dekorationen mit Stichworten wie Symmetrie, Flächenhaftigkeit, Des-
organisation, Geometrisierung und Ornamentalisierung zu charakterisieren.
Zwar ist der Ansatz, von solchen Gegebenheiten aus auf die Mentalität der
Hersteller und Benutzer zu schließen, gewiß beachtenswert, doch scheitern
diese Bemühungen allein schon daran, daß im Einklang mit den damaligen
Leitvorstellungen der Kunstwissenschaft über die Eigengesetzlichkeit der
Formungsprozesse die materiellen oder technischen Grundlagen des Pro-
duktionsvorganges unberücksichtigt blieben!!. Im Anschluß an Entwicklun-
gen zur Spezialisierung in der Beschäftigung mit dem Kunstgewerbe werden
seit dem zweiten Viertel unseres Jahrhunderts die Sachbereiche, die einst
häufig unter der Bezeichnung Volkskunst zusammengefaßt und behandelt
wurden, zunehmend zu Gebieten von Einzelforschung, etwa zum Möbel,
zur Keramik, zum Glas. Die unter den alten Prämissen wohl als zulänglich
geltende sporadische Kenntnisnahme von Einzelstücken, aus der man dann
weitreichende Folgerungen gezogen hat, wurde ersetzt durch die Erschlie-
ßung und Nutzung bis dahin vernachlässigter Quellengruppen, durch neue
methodische Zugänge zum Material, durch die den Prinzipien exakter Ge-
schichtsschreibung genügenden Materialaufbereitungen und Darstellungen.
Daß diese Entfaltung neuer Forschungen über den Horizont der oft genug
in den Konventionen der eigenen Disziplin befangenen Volkskunde hinaus-
führte, mag am Rande deshalb vergegenwärtigt sein, weil das Muster von
der Volkskunst sich ohnehin demnächst erledigen wird, wenn Realienfor-
schung einmal jenseits der alten Volkskunde in der dem Alltäglichen, der
Kultur der Vielen, zugewandten Geschichtswissenschaft etabliert ist.
Hier aber mag auch bedacht sein, daß dies Muster von der Volkskunst,
wie vage auch immer, über die Jahrzehnte hin eine Vielfalt von allgemeine-
ren, einzelne Gebiete übergreifenden Fragen zur Güterherstellung und Nut-
zung gegenwärtig gehalten hat: Unter diesem Aspekt ist beispielsweise das
Thema der Kunst nach Bildungsschichten zu erwähnen, um das ARNOLD
HAUSER sich mit intensiven, aber oft auch zu kurz greifenden Darlegungen
7 Freyer, Kurt: Zum Problem der Volkskunst. Mit Beispielen Schleswig-holsteinischer
Volkskunst aus dem Flensburger Museum. In: Monatshefte für Kunstwissenschaft 9 (1916),
S. 215-227.