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Volltext: Jahrbuch für Volkskunde, 15.1992 N.F.

Volkskunst, Leistungen und Defizite eines Begriffs 
Auf dem Gebiete des Kunstgewerbes der Vergangenheit erwuchs aus die- 
sen Rückgriffen eine ständig verfeinerte Konturierung und Periodisierung 
der Stile, vielleicht® auch eine Einsicht in die Geschichtlichkeit ästhetischer 
Normen. Zugleich aber traten in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts — 
z. B. durch die Intensivierung von Verkehr und wirtschaftlichem Austausch 
mit den großen Ausstellungen als einem der Kristallisationspunkte — Sachbe- 
reiche in den Gesichtskreis, die sich durch die Beschaffenheit ihrer Formen 
und ihre Ornamentik der Zuordnung zu diesen nunmehr beschreibbar ge- 
wordenen zeitgebundenen Stileinheiten entzogen oder allenfalls als deren 
Reflexe gelten durften. Offenkundig wird hier ein Gebiet erkennbar, das in 
seinem Inhalt Affinität zu den Bereichen hat, die später TıeETzE Schwierigkei- 
ten mit dem wachsenden Klassifikationsbedürfnissen seiner Wissenschaft 
verursachten. Aber auch dies in seiner Zusammensetzung höchst diffuse 
Sachgut — wir finden es zunächst als nationale Hausindustrie bezeichnet® — 
wurde primär vor der Folie gegenwartsbezogener Retrospektivität als Vor- 
bild aktiviert. Dies geschah in der konkreten Nachgestaltung, ebenso aber 
auch aufgrund allgemeiner Erwägungen, die unter anderem die für den Ge- 
genwartsbezug des Historismus zentralen Motivationsbereiche der Identitiät 
und der Integration enthalten’. 
Identität wird etwa im Nationalen als ein vielfältig sıch ausprägendes Ele- 
ment historischer Einstellung nicht nur deutlich in der Auffassung oder Pro- 
pagierung der Neogotik oder später seit ca. 1875 der Neorenaissance als 
dem deutschen Stil in Architektur und gewerblicher Produktion, sondern 
auch im Umgang mit volkstümlichen Formen- oder Dekorationselementen. 
Ihre Fortführung oder Wiederbelebung sicherte angeblich autochthone, na- 
tionale Kunstübung, zunächst wohl bei den Völkern Südosteuropas, dann 
aber auch — wenn man FERDINAND AvENARIUS und den Kreis um seinen 
Kunstwart in Betracht zieht — zunehmend in Äußerungen der völkisch aus- 
gerichteten Publizistik des deutschsprachigen Gebietes während der Kaiser- 
zeit®. Integration und Partizipation gewährten diese angeblich volkstümli- 
und bildende Kunst im Kaiserreich (= Kunst, Kultur und Politik im Deutschen Kaiserreich, 
Bd. IN. Berlin 1983, S. 31—43. 
> DEnEexe, BeErRnwarD: Die Entdeckung der Volkskunst für das Kunstgewerbe. In: ZfVk. 60 
(1964), S. 168-201. 
7 Dazu vor allem die Historismusstudien von HARDTwiG, WoLFGANG: Traditionsbruch und 
Erinnerung. Zur Entstehung des Historismusbegriffs. In: Brıx, MICHAEL/STEINHAUSER, MO- 
NIKA (Hgg.): »Geschichte allein ist zeitgemäß«, Historismus in Deutschland. Lahn-Gießen 
1978, S. 17-27. — Ders.: Kunst und Geschichte im Revolutionszeitalter. Historismus in der 
Kunst und der Historismusbegriff der Kunstwissenschaft. In: Archiv für Kulturgeschichte 61 
(1979), S. 154-190, (hier bes. 185f.). Hardtwig akzentuiert verschiedentlich die Prägung des 
Historismus durch Gegenwartsbezüge. 
* DENnEKE, BERNwARD: Beziehungen zwischen Kunsthandwerk und Volkskunst um 1900. In: 
Anzeiger des Germanischen Nationalmuseums 1968, S. 140-161. — Vgl. v. a. auch KrRATzSCH,
	        
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