Digitalisate

Hier finden Sie digitalisierte Ausgaben ethnologischer Zeitschriften und Monografien. Informationen zum Digitalisierungsprojekt finden Sie [hier].

Suchen in

Volltext: Jahrbuch für Volkskunde, 14.1991 N.F.

Gotteserfahrung, Gotteserkenntnis und Vernunftkritik — 
von der Scholastik zur Aufklärung 
Einleitung 
Heide Wunder 
Gotteserfahrung, Gotteserkenntnis und Vernunftkritik scheinen sich nach dem heu- 
tigen Verständnis auszuschließen. Bis in das Zeitalter der Aufklärung waren sie je- 
doch eng miteinander verbunden. Vernünftigkeit bewies und bewährte sich gerade in 
der Erkenntnis aus dem »rechten Glauben« (ANSELM VON CANTERBURY). Erst die Dif- 
ferenzierung und Säkularisierung des christlichen Wissens-, Deutungs- und Sinnge- 
bungssystems seit dem 15. Jahrhundert haben zur Trennung von Glauben und Wis- 
sen, von Gotteswissenschaft (Theologie) und »Weltweisheit« (Philosophie), von 
»Menschen«- und Naturwissenschaften geführt. Unter diesen Prämissen leuchtet 
ein, daß Vernunftkritik nicht erst eine Errungenschaft der Aufklärung darstellt, son- 
dern sich auf die jeweils »herrschende Vernunft« beziehen läßt, im mittelalterlichen 
Denken also auf die der Scholastik, in der Frühen Neuzeit auf die cartesianische Ver- 
2unft. Sie bezeichnet einerseits den Streit der Schulen, andererseits die Ablösung el- 
nes Erklärungsparadigmas durch ein neues. 
Die folgenden vier Beiträge, die auf Referate im Rahmen zweier Interdisziplinärer 
Arbeitsgespräche in Bad Homburg zurückgehen‘, bewegen sich in diesem Diskurs- 
feld, und zwar mit dem Interesse, die Rolle und den Beitrag von Frauen zu ermitteln. 
Diese Problemstellung ist in der Auseinandersetzung mit der feministischen Wissen- 
schaftskritik und der Historischen Frauenforschung entwickelt worden. Für sie be- 
stand und besteht die große Provokation darin, daß die großen Denkerinnen nicht in 
die theologische Tradierung aufgenommen worden sind und daß Frauen, die doch 
wesentlich die religiösen Erneuerungsbewegungen im Mittelalter und in der Frühen 
Neuzeit trugen, in der Kirchengeschichte immer nur als »geistlich« Abhängige, nie 
als »schöpferisch« dargestellt werden. Nicht zuletzt irritiert die Beobachtung, daß 
die großen Veränderungen im Verhältnis von Religion und Gesellschaft vom frühen 
Mittelalter bis ins Zeitalter der Aufklärung die Rolle der Frauen in der Kirche kaum 
verändert haben: denn nicht nur in der alten Kirche, sondern auch in den protestanti- 
schen Kirchen blieben sie von kirchlichen Ämtern ausgeschlossen. Demgegenüber 
behaupten die feministische Theologie und die Historische Frauenforschung, daß es 
sehr wohl einen — allerdings bisher unterschlagenen — Beitrag von »frommen Frauen« 
ı Die Werner-Reimers-Stiftung hat großzügig drei Interdisziplinäre Arbeitsgespräche zum 
Thema »Frauenbilder und Frauenrollen im späten Mittelalter und in der Frühen Neuzeit« ge- 
fördert, darunter »Theologische Frauenbilder — Frauen in der Kirche — Frauenfrömmigkeit« 
(September 1988) und »Ideale und reale Präsenz von Frauen in der Gesellschaft der Frühen 
Neuzeit« (November 1988). Für ihre große Unterstützung bei der redaktionellen Arbeit danke 
ich Erau Dr. CurıstinAa VAanıa (Kassel).
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.