Zeitschrift für Ethnologie 115 (1990)
heated property disputes, for fear that some distant cognatic relative will lay claim to the
property.”
Nun wäre es im Sinne der Anwendung von “more appropriate theories” selbstverständlich
höchst aufschlußreich, die Realität des Geschehens ethnographisch vermittelt zu bekommen,
das zwischen der zuerst zitierten Idealvorstellung über die Regelung von Landrechtsansprü-
chen und dem faktischen harten Kampf um diese liegt. — Wobei gleich angemerkt werden soll,
dafs es ganz offenbar auch ein Befolgen des zitierten Ideals gibt; zumindest in einem der mir aus
eigenen Feldforschungen in West-Polynesien bekannt gewordenen Fálle war das so. — Hier aber
interessiert mehr das zuvor angesprochene Prinzipielle, und für dessen ethnographisch ange-
messene Darstellung liegt die ausgearbeitete Methodik auch bereit, und zwar seit mehr als 20
Jahren.
Im Jahre 1967 hat in dem von A. L. Epstein herausgegebenen Sammelband *The Craft of
Social Anthropology" J. van Velsen einen Essay mit dem Titel *The Extended-case Method and
Situational Analysis" publiziert. Dieser láuft — für den vorliegenden Zusammenhang einer Re-
zension vereinfachend zusammengefaft (siehe auch die “Introduction” von Gluckmann zu dem
Sammelband) — auf folgendes hinaus: Gegenüber der in der traditionellen Ethnographie ge-
bräuchlichen Methode der “apt illustration”, bei der für eine bestimmte Hypothese — in der Re-
gel über Teile der Sozialstruktur — signifikante “cases” beispielhaft dargestellt und interpretiert
werden, geht es van Velsen darum, derartige “cases” im historischen Kontext in die Vergangen-
heit zurückzuverfolgen und durch die Betrachtung der historischen Situation, in die die “cases”
eingebettet sind, den Prozeß darstellbar zu machen, der zum Wandel der Strukturen führte.
Borofsky geht es, so lautet Ja auch der Titel seiner Studie, um die Betrachtung und Darstel-
lung von Geschichte. Er bedient sich jedoch für diese Darstellung, und zwar nicht nur für die
Darstellung der Landrechtsfragen, sondern durchgehend, ausschließlich der Methode der “apt
illustration”. Damit fällt er deutlich hinter die von van Velsen sehr stringent begründete Forde-
rung nach deren Ersetzung durch die “situational analysis” zurück. — Dies nun scheint eine eher
harsche Kritik an einem Buch, das, wie auch ich meine, sehr zu Recht bisher eine so positive Re-
sonanz gefunden hat. Mir geht es mit diesem Hinweis auf den Essay von van Velsen daher auch
gar nicht um eine Abqualifizierung der Leistung von Borofsky, sondern vielmehr darum, aufzu-
zeigen, daß es in der ethnographischen Forschung nach wie vor situative Grenzen gibt, die es na-
hezu unmöglich machen, das gesamte Raffinement der ethnographischen Methodik, das theore-
tisch längst bereitliegt, auch praktisch anzuwenden.
In der Landrechtsfrage etwa wäre es Borofsky mit hoher Wahrscheinlichkeit aufgrund der
involvierten Interessen der Einwohner von Pukapuka kaum möglich, einen “case” in dem histo-
rischen Beziehungsgeflecht, in dem er steht, in einer auch nur entfernt befriedigenden Weise
weiterzuverfolgen; und selbst wenn es ıhm in einigen Fällen gelänge, ein solches Wissen zu ge-
winnen, wäre es letztendlich unmöglich, dieses auch zu publizieren. Wie er selbst anmerkt
(S. 32): “Many people provided me with genealogies on the condition that important details not
be shown to relatives.” Wichtige Details nämlich, die unabdingbar dafür benôtigt werden,
Landrechtsansprüche gegenüber konkurrierenden Verwandten durchzusetzen.
Um die Rezension nun noch mit einem besonderen Lob abzuschliefen, sei darauf hingewie-
sen, daß Borofsky und sein Verlag eine sehr glückliche Hand darin bewiesen haben, das Buch
mit Bleistiftzeichnungen von David Friedman zu illustrieren. Diese geben weit besser die be-
sondere Atmosphäre des Lebens auf einem Südsee-Atoll wieder, als dies jede — auch jede far-
bige — Fotoillustration vermôchte.