Jakob Mehringer/Jürgen Dieckert: Körper- und Wesensauffassung der Canela 243
terialität/Objektivität“ (Ohe 1987). So ließ sich bald die hierarchische Ordnung der
Begriffe erkennen. Letztlich konnten sie in einen übergreifenden Sinnzusammenhang
eingeordnet werden.
Bevor das Verständnis des menschlichen Wesens bei.den Canela-Indianern erläu-
tert wird, ist es notwendig, diese Ethnie in ihrem Lebensraum vorzustellen.
2 Die Canela-Indianer und ihr Lebensraum
Die Gé-sprachigen Canela-Indianer leben von alters her in der ókologischen Über-
gangszone vom amazonischen Tropenwald zum ostbrasilianischen Hochland. Der
Großteil ihres Siedlungsgebietes stellt sich allerdings als eine trockene, sandige, mit
Palmen und Büschen übersäte Savannenlandschaft dar. Lediglich entlang der kleinen
Flüsse wuchert eine tropische Pflanzengemeinschaft, der sogenannte Galeriewald.
Abb. 2. Canela-Dorf Escalvado mit Mehrfamilienhäusern an der Rundstraße und mit Radialwegen zum Ge-
meinschaftsplatz in der Mitte. Die „Sonnenradstruktur“ symbolisiert „Frohsinn“ und „Einheit“.
Heutzutage verteilen sich die insgesamt etwa 1200 Canela-Indianer auf zwei etwa
100 km voneinander entfernte Dörfer: Escalvado (Ponto) und Porquinhos. Gegen-
stand dieser Ausführungen wird nur das Dorf Escalvado mit seinen 950 Bewohnern
sein. Es liegt ca. 500 km südlich der Hafenstadt Sao Luis und 80 km von der kleinen
Stadt Barra do Corda entfernt. Das Reservat umfaßt ca. 125000 ha. Im Wirtschaftsge-
füge der Canela-Indianer nehmen traditionell Jagd- und Sammeltätigkeit eine vorran-
gige Stellung ein. Der zeitaufwendige Bodenbau spielte eine untergeordnete Rolle und
wurde kleinflächig betrieben.
Heute ist das zur Verfügung gestellte reduzierte Nutzungsgebiet (Reservat) jedoch
zu klein, als daß es genügend Jagdwild für den Proteinbedarf von 950 Personen liefern