164 Zeitschrift für Ethnologie 115 (1990)
undifferenziert als Summeneffekte auf die Eingangsgrößen und die zentrale Verrech-
nungsstelle (place image / territorial cognitions) einwirken, um so den rückgekoppel-
ten Charakter des Systems darzustellen. Obgleich seine Überlegungen zur Systemati-
sierung territorialer Verhaltenskomplexe weit über die Darstellungen der zuvor ge-
nannten Werke hinausgehen, wirken auch sie noch recht undifferenziert. Es wáre zu
wünschen gewesen, dafs die Ergebnisse der untersuchten Einzelaspekte in den nach-
folgenden Kapiteln, die Einschübe von Beispielen, Anekdoten, Algorithmen und Ab-
bildungen in oft etwas verwirrender Vielfalt enthalten, dann am Ende dieser Ausfüh-
rungen auch der Modifikation des Modells dienten. Dennoch ist dieses Werk sicher
mit weitem Abstand die beste systematische Arbeit zum Themenkomplex des
menschlichen Territorialverhaltens und bietet insbesondere eine ausgezeichnete Stu-
die des ortsbezogenen Verhaltens im urbanen Bereich. Hierin ergänzt sie sich mit den
bereits erwähnten historischen Fallstudien der Entstehungsgeschichte territorialer
Einheiten nordamerikanischer Siedlungsstrukturen in der Arbeit von Sack.
Besonders für die Ethnologie von Bedeutung ist der Sammelband von McCay und
Acheson (1987) “The Question of the Commons”. Es handelt sich bei ihm um eine
Überprüfung der Hardinschen Theorie von 1968. Hardin hatte die These aufgestellt,
daß bei kommunalem Besitz eines Territoriums jeder einzelne Nutzer versucht, seinen
eigenen Ertrag auf Kosten der Mitnutzer zu maximieren, was zwangsläufig zur Über-
ausbeutung der Ressourcen und zum Zusammenbruch des Ökosystems führen muß.
Am Beispiel der kommunalen Weidesysteme postuliert er (S. 1244):
“Each man is locked into a system that compels him to increase his herd without li-
mit — in a world that is limited. Ruin is the destination toward which all men rush,
each pursuing his own best interest in a society that believes in the freedom of the
commons. Freedom in a commons brings ruin for all.”
Auch hier zeigt die Uberpriifung, daß zu einfache und zu stark verallgemeinernde
Theorien sehr komplexer Phänomene unterschiedlicher Ausprägung in den verschie-
densten Kulturen nur selten weiterführen. So zeigen dann auch die einzelnen Beiträge
des Bandes, daß es bei Gruppenterritorien, also beispielsweise kommunalem Besitz an
Land, Weiden, Jagdgründen oder Fischfangzonen nicht notwendigerweise, sondern
eher in seltenen Ausnahmefällen zur Überausbeutung durch den Egoismus konkur-
rierender Nutzer kommt. Die spezifischen Normen und Werte der betreffenden Ge-
sellschaften und die damit verbundenen sozialen Regeln verhindern normalerweise
das von Hardin postulierte Ergebnis individueller, egoistischer Maximierungsbestre-
bungen. In weiteren Arbeiten wurde kürzlich erneut auf diese Tatsache hingewiesen
(Berkes et al. 1989; Durrenberger und Pälsson 1987; Feeny et al. 1990; Levieil und Or-
love 1990; McCabe 1990; vgl. auch Buck 1989).
Gruppenterritorien haben dann gegenüber individuellen Dauerterritorien große
Vorteile, wenn unregelmäßig verteilte Ressourcen durch mobile Gruppen, wie Samm-
ler/Jäger/Fischer, pastorale Nomaden oder Peripatetiker, in jahreszyklischem Wech-
sel genutzt werden. Dies gilt für Sammler/Jáger und pastorale Nomaden immer dann,
wie Dyson-Hudson und Smith bereits 1978 postulierten, wenn die zu erwartende