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Rechtspluralismus
Analytische Begriffsbildung oder politisch-ideologisches Programm?
Franz von Benda-Beckmann
Department of Agrarian Law, Wageningen, Agricultural University,
PO.B. 8130, NL-6700 EW Wageningen, Niederlande
Abstract. The article discusses the concept of ‘legal pluralism’. Introduced as a sensitizing concept with
modest ambitions, the appropriateness of the concept has become subject of a heated debate, in which
the notion of legal pluralism is politicized and ideologized. The article discusses the underlying tension
between attempts to develop ‘legal pluralism’ on the one hand as an analytical concept for the description
and analysis of complex normative systems, and as a political-ideological programme on the other.
Underlying most of the discussions is the unwillingness to distinguish between law or legal pluralism as
an analytical notion and as empirical social and political phenomenon. The author argues that if analytical
equivalence and political equivalence of variations in law can be kept apart, the concept of legal pluralism
is a useful tool for legal anthropological analysis.
Einleitung
Mit dem Titel meines Vortrages! habe ich das Spannungsfeld anzudeuten versucht, in
welchem sich Diskussionen über den Begriff und die Erscheinungsformen von Rechts-
pluralismus abspielen. Es geht dabei, einerseits, um begriffstheoretische Überlegun-
gen, inwieweit die in den meisten heutigen Gesellschaften angetroffene Komplexität
von Regeln, Prinzipien, Institutionen und Prozeduren sinnvollerweise mit diesem
Begriff angedeutet werden kann. Dies ist im wesentlichen eine erweiterte Diskussion
über den Begriff des Rechts. Die in den früheren Diskussionen — ich erinnere nur an
die Namen Malinowski, Radcliffe-Brown, Evans-Pritchard, Pospisil, Hoebel, Seagle,
Bohannan — im Vordergrund stehende Frage, ob die ,primitiven' afrikanischen oder
jn Vortrag gehalten auf der Gemeinsamen Tagung der Deutschen Gesellschaft für Völkerkunde, der
Österreichischen Ethnologischen Gesellschaft, der Anthropologischen Gesellschaft in Wien, und der
Berliner Gesellschaft für Anthropologie, Ethnologie und Urgeschichte. Leipzig, 3. bis 8. Oktober 1993.
? Diese Frage wird in allen Übersichtsartikeln ausführlich diskutiert. Siehe Nader (ed.) 1965, Moore
1970, Schott 1970, F. von Benda-Beckmann 1981. Teil dieser Diskussion war die Frage, inwieweit west-
liche juristische Kategorien zur Beschreibung und Analyse afrikanischer Stammesgesellschaften verwen-
et werden kónnten. Hierüber entstand die sogenannte Gluckman-Bohannan-Kontroverse (siehe
Gluckman 1969, Bohannan 1969). Die wohl sinnvollste Lósung dieses Problems ist die Verwendung
Zeitschrift für Ethnologie 119 (1994) 1-16 © 1995 Dietrich Reimer Verlag
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