Berichte und Kommentare
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Anthropos 92.1997
Gartenbau auf gemulchten
Hügelbeeten im zentralen Hochland
von Papua-Neuguinea
Joachim Sterly
Die Süßkartoffel, Ipomoea batatas (L.) Lam., aus
der Familie der Windengewächse ist eine an
spruchslose Pflanze, die vorzüglich gedeiht, wenn
der Boden locker und nicht allzu feucht, die Lage
sonnig und das Klima frostfrei ist (Purseglove
1974: 79-81). Sie stammt aus Mittel- und Süd
amerika, von wo die Spanier sie im 16. Jh. zu den
Philippinen brachten. Noch heute wird sie dort mit
einem Wort aus der Maya-Sprache von Yukatan
kamote genannt (Hedrick 1972: 314). In Indone
sien, wo sie sich im 17. Jh. ausbreitete, nennt man
sie “Yam der Kastilier” (ubi ketela) oder “Yam
aus Java” (ubi djawa). Mitte des 17. Jh.s wird
sie aus Amboina in den Molukken erwähnt, wo
die Portugiesen sie eingeführt hatten. Pollenana
lytische Untersuchungen, durchgeführt im Hoch
land von Papua-Neuguinea, gestatten den Schluß,
daß der Anbau der Süßkartoffel in dieser Region
etwa um 1700 einsetzte (Powell et al. 1975: 48;
Hope 1976: 656; Golson 1982: 130 f.). Nach Ost-
Melanesien ist die Süßkartoffel vermutlich über
Polynesien gelangt, und es ist möglich, daß sie auf
diesem Wege im 18. Jh. oder später Südost-Neu-
guinea, Bougainville und Süd-Neu-Irland erreichte
(Urban 1968/69: 403 f.).
Das Innere Neuguineas vom Hinterland des
Huon Golfs bis in das Nassau Gebirge ist mit
heute annähernd 2 Millionen Einwohnern das
größte Süßkartoffelanbaugebiet im pazifischen
Raum (Ward and Lea 1970: 54 f.). Die Sied
lungsgrenze und die Anbaugrenze der Süßkartoffel
liegt bei etwa 2.700 bis 2.900 m. Die Pflanze
wird vegetativ vermehrt, nicht die Knollen werden
gepflanzt, sondern Bündel von 30-40 cm langen
Abschnitten der Ranken. Die Knollenfrüchte kön
nen nicht lange aufbewahrt werden, sie werden
täglich oder jeden zweiten Tag geerntet. Nach
einer Woche beginnt die Stärke sich in Zucker
umzuwandeln und die Knolle beginnt zu verdorren
oder zu verfaulen. In tieferen Lagen wächst die
Süßkartoffel sehr rasch; in 1.500 m Höhe können
die ersten Knollenfrüchte nach etwa 4 Monaten
geerntet werden, in 2.500 m beträgt die Reifezeit
10 bis 12 Monate.
Die Einführung der Süßkartoffel muß die Er
nährungslage der Einwohner des Hochlands von
Neuguinea radikal verändert und gebessert ha
ben. Vor dieser Zeit scheint das Grundnahrungs
mittel vor allem der Taro (Colocasia esculenta (L.)
Schott) gewesen zu sein, ferner die Wurzeln der
Leguminosen Pueraria lobata (Willd.) Ohwi und der
Flügelfruchtbohne (Psophocarpus tetragonolobus
(L.) DC.), in tieferen Lagen auch die Kochbana
ne und die vermutlich aus Indonesien eingeführte
Yamswurzel (Dioscorea spp.). Der Süßkartoffel
anbau brachte es mit sich, daß mehr Land urbar
gemacht werden mußte. Die Schweinezucht konn
te intensiviert werden. Die Süßkartoffel beschert
reichliche Ernten, und die Knollen werden im
Unterschied zum Taro von den Schweinen auch
roh gefressen. Was in Europa das Brot und in
Ostasien der Reis, ist für die Hochlandbewohner
Neuguineas die Süßkartoffel. Der Bevölkerungs
zuwachs infolge der besseren Ernährungslage führ
te zu kriegerischen Auseinandersetzungen um den
Landbesitz, denen Wanderbewegungen folgten,
wie sie aus dem Wahgi Tal bis in unser Jahrhundert
bezeugt sind (Brookfield and Brown 1963). Lan
ge bevor die Weißen nach dem Ersten Weltkrieg
in das Hochland von Neuguinea vordrangen, war
die Süßkartoffel dorthin gelangt, viel später erst
gefolgt von anderen aus Amerika stammenden
Feldfrüchten wie Maniok und Mais. Den bedeu
tendsten Anteil ihrer “Entwicklungshilfe” hatten
die Europäer den Hochlandbewohnern geleistet,
ehe sie selbst in Erscheinung traten. Nirgendwo
in Melanesien finden sich derart große Sprach-
gruppen wie im mittleren Hochland von Papua-
Neuguinea. Es ist nicht auszuschließen, daß sie
erst nach Einführung der Süßkartoffel ihre heutige
Ausdehnung erreichten.
Gartenbau der Enga
Die Sprache der Enga-Stämme in der gleichnami
gen Provinz im Westen des Hochlands von Papua-
Neuguinea bildet mit mehr als 150.000 Sprechern
die größte Sprachgruppe in Melanesien, ist aber in
sich weniger homogen als die der Simbu weiter
östlich. Wie die Moni, Ekari und Dani im Nas
sau Gebirge von Irian Jaya, dem heutigen indo
nesischen West-Neuguinea, und die Mt. Hagen-
Stämme, Kuma und Simbu im Wahgi Tal und
Bismarck Gebirge von Papua-Neuguinea müssen
die Enga nach der Einführung der Süßkartoffel von
der extensiven Brandrodungswirtschaft endgültig
zum intensiven Gartenbau übergegangen sein. Die
Kultur der Süßkartoffel hat in weit auseinder-
liegenden Gegenden unter ähnlichen Umweltbe
dingungen mit kühlem und regnerischem Klima
zu übereinstimmenden Anbauverfahren geführt: