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Volltext: Anthropos, 79.1984

Betrachtungen zu 60 Jahren japanischer Völkerkunde 
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Anthropos 79.1984 
der Russe Nikolai Nevskij und der Franzose 
Charles Haguenauer stießen. 1911 gründete er 
den „Verein für Heimatkunde“ Kyödo-kenkyü- 
kai, der ab 1913 die gleichnamige Zeitschrift 
herausgab. In den folgenden Jahren und Jahr 
zehnten waren es immer neue Arbeitsgemein 
schaften und Vereine mit anderen Namen und 
Publikationsorganen, die Yanagita mit seinen 
Wechselnden Forschungsschwerpunkten um sich 
sammelte. Für die Gesamtentwicklung des Faches 
Waren allerdings noch zwei weitere Forscherper 
sönlichkeiten von entscheidender Bedeutung: 
Shinobu Origuchi (1887-1953), der von der klas 
sischen Philologie zur Volkskunde kam und 
Zwischen 1925 und 1929 zusammen mit Yanagita 
die Zeitschrift Minzoku [Ethnos] herausgab, spä 
ter jedoch von Yanagitas Vorstellungen abrückte. 
Origuchi war es auch, der für seine 1929 gemein 
sam mit dem Linguisten Kinda’ichi herausgegebe 
ne Zeitschrift die heute in Japan gebräuchliche 
Bezeichnung für Volkskunde, minzokugaku, 
erstmals verwendet. 
Ebenfalls hier zu nennen ist der Bankier und 
Finanzminister Keizö Shibuzawa, dessen Interes 
se der materiellen Kultur galt und der 1921 in 
seinem Haus das „Attische Museum“ (Vorgänger 
des 1942 errichteten Jöminhunka-kenkyüsho [In 
stitut für Alltagskultur], heute an der Kanagawa- 
Üniversität) einrichtete, aus dem der bedeutende 
Feldforscher Tsune’ichi Miyamoto hervorging. 
So waren um die Mitte der 20er Jahre zwar 
Zahlreiche Ansätze gemacht worden, im Vergleich 
Zu Urgeschichte und Volkskunde waren jedoch 
Aufgabenstellung und Methode der Völkerkunde 
ui Japan noch weitgehend unbekannt. 
Masao Oka, der 1898 als fünfter Sohn einer 
Familie von Samurai-Rang im mitteljapanischen 
Matsumoto geboren wurde, kam 1917 in die 
Zweite Oberschule (College) in Sendai. Von den 
Schriften Friedrich Engels, vor allem aber von 
Alorgans Ancient Society beeindruckt, beschloß 
er, sich dem Studium der Völkerkunde zuzuwen 
den, und belegte ab 1920 das Fach Soziologie an 
der Universität Tökyö. 1924 schloß er sein 
Studium mit der Arbeit Magische Elemente früher 
Qesellschaftsdifferenzierung ab, in der er Frazers 
holden Bow und Arbeiten Dürkheims verwende 
te. 
Im Februar 1924 suchte Oka erstmals Yana- 
§tta auf, um ihn um Unterstützung für die 
Veröffentlichung einer Übersetzung von Frazers 
Der magische Ursprung des Königtums zu bitten. 
Yanagita lehnte dies zwar ab, zog den interessier 
ten jungen Wissenschaftler jedoch in seinen Kreis. 
Hier hatte Oka Gelegenheit, die führenden Köpfe 
der damaligen Zeit kennenzulernen: Origuchi, 
den Linguisten und Ainu-Forscher Kyösuke Kin 
da’ichi, den Philologen und Okinawa-Historiker 
Fuyü Iha, den Volkskundler und Erforscher der 
Burschenverbände Japans Tarö Nakayama und 
den Agrarsoziologen Kötarö Hayakawa. Von 
Yanagita zur Herausgabe der bereits erwähnten 
Zeitschrift Minzoku [Ethnos] herangezogen, wid 
mete sich Oka dieser Aufgabe so erfolgreich, daß 
er 1927, von Yanagita als persönlicher Assistent 
und Bibliothekar angestellt, in dessen neues Haus 
übersiedelte. 
Zur gleichen Zeit (Ende 1925) schlossen sich 
mehrere jüngere, vor allem am völkerkundlichen 
Arbeiten interessierte Wissenschaftler zu einer 
formlosen Diskussionsrunde zusammen, die sie 
nach den Anfangsbuchstaben der drei Disziplinen 
Anthropology, Prehistory, Ethnology, und in 
Gleichklang zu engl, „Affe“, APE nannten. 
Neben den Prähistorikern und Archäologen Ichi- 
rö Yawata und Namio Egami, dem Soziologen 
Kotondo Furuno und dem Anthropologen Aki- 
yoshi Suda war Oka führend in dieser Gruppe, 
deren Teilnehmer nach 1945 den Aufbau der 
japanischen Völkerkunde bestimmten. Als ersten 
Schritt in diese Richtung legte Oka 1927 die 
Übersetzung von Gomme-Burnes The Hand 
hook of Folklore vor. 
Schon 1929 hatte Oka durch den zufälligen 
Kauf von Schmidt-Koppers’ Völker und Kulturen 
die erste Bekanntschaft mit der deutschsprachigen 
Völkerkunde und deren Arbeitsweise gemacht. 
Sehr stark beeinflußte ihn damals auch die Lektü 
re von Schurtz’ Altersklassen und Männerbünde. 
In den Arbeitsgemeinschaften des Yanagita-Krei 
ses wurde zu dieser Zeit ein Vorstellungskomplex 
innerhalb der japanischen Volksreligion „ent 
deckt“, der auf einem dualen Weltbild basiert und 
charakterisiert ist durch den Glauben, Höhere 
Wesen, Gottheiten oder Geister würden zu 
bestimmten Zeiten aus einer Anderen Welt die 
Welt der Menschen besuchen, hier empfangen, 
bewirtet und verehrt, und durch ihren Segen 
Wohlstand, Fruchtbarkeit und Fortbestand dieser 
Welt überhaupt bewirken. Yanagita sah diesen
	        
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