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Rezensionen
Anthropos 79.1984
die Bevölkerungen kleinerer Inseln in Polynesien hatte.
Maude hat diese Geschichte als ein Memento geschrieben. Er
verheimlicht nicht, daß die Entstehung seines Buches auf
persönlicher Liebe für die Polynesier und allgemeiner
moralischer Empörung über - wenn auch vergangenes -
Unrecht gründet. Dieser Hintergrund persönlichen Engage
ments gibt dem Buch seine Lebhaftigkeit und Spannung und
verhindert, daß es zu einer bloßen Dokumentenanalyse wird,
die in ihrer notwendigen Trockenheit der Thematik gewiß
nicht angemessen wäre.
Maude gliedert das von ihm in äußerst langwieriger
Arbeit und dazu noch mit breiter Hilfe von Kollegen
zusammengetragene Quellenmaterial zunächst in zwei Fel
der, die er plakativ „I. Peruvians in Polynesia“ und „II.
Polynesians in Peru“ überschreibt. Dies gibt ihm die
Möglichkeit, im ersten Teil für jede Inselgruppe getrennt die
'Ereignisgeschichte zu erzählen, in der das Leiden der
jeweiligen Bevölkerung unter Betrug, Raub, Mord und
Vergewaltigung durch die Europäer immer wieder neu
lebendig wird. Im zweiten Teil geht es zunächst um eine
Darstellung der unmenschlichen Aufenthaltsbedingungen
für die Polynesier in Peru, die für die Mehrheit von ihnen den
baldigen Tod bedeuteten. Daran schließt sich die Geschichte
der Bemühungen von Europäern in und außerhalb Perus an,
diesen Sklavenhandel so rasch wie möglich zu unterbinden,
da er nicht nur als unerträglich für die Polynesier erkannt
wurde, sondern auch die von ihm ausgehenden Gefahren für
die europäische Handelsschiffahrt in Polynesien sehr bald
einschätzbar wurden. Maude bemüht sich hierbei, dem
zentralen Träger dieser Aktivitäten, dem französischen
Gesandten in Peru, de Lesseps, ein Denkmal dafür zu setzen,
daß dieser sich weit über seine diplomatisch-politische
Funktion hinaus aufgrund eines humanitären Engagements
für die Polynesier eingesetzt habe.
Den großen und prinzipiellen Zügen von Maudes
Argumentation in diesem Teil wird man gewiß folgen
können. In Einzelheiten wird man jedoch zu Modifizierun
gen geneigt sein. So scheint mir Maudes Interpretation von de
Lesseps’ Haltung gegenüber einem offensichtlich damals sehr
wichtigen Dokument nicht ganz nachvollziehbar, zumal er
auch keinen Beleg anführt, der eine persönliche Stellungnah
me von de Lesseps dazu enthält. Es handelt sich um eine
gemeinsame Deklaration des damaligen diplomatischen und
konsularischen Corps in Peru, die offensichtlich unter
Federführung von de Lesseps zustande kam. In diesem
Dokument wird in diplomatischer Diktion zunächst die
Verurteilung des von Peru ausgehenden Sklavenhandels und
sodann die Verantwortlichkeit der peruanischen Regierung
für dessen Unterbindung zum Ausdruck gebracht. Es
verwundert ein wenig, daß gerade der ehemalige Kolonialbe
amte und in diesem Sinne Diplomat H. E. Maude sich von
der diplomatischen Sprache des 19. Jh.s täuschen läßt und zu
der Ansicht kommt, de Lesseps wäre der Tenor dieser
Stellungnahme nicht ausreichend weit in Richtung einer
Verurteilung der peruanischen Regierung gegangen. Die
Berichte der damaligen hanseatischen Konsuln von Hamburg
und Bremen an ihre jeweiligen Regierungen, die Maude
allerdings nicht bekannt waren, zeigen dagegen, daß die an
dem Zustandekommen der Deklaration unmittelbar Beteilig
ten diesem in den peruanischen Zeitungen veröffentlichten
Dokument in jedem Fall einen bedeutenden Einfluß auf die
peruanische Regierung beimaßen.
Weniger aufgrund einer anderen Interpretation und
wahrscheinlich sogar im Widerspruch zu Maudes Absichten
wird die Darstellung des von den Polynesiern erfolgreich
geleisteten Widerstands in seinem Buch ein wenig zu knapp
abgehandelt. Dies dürfte zu einem Teil an seinem Gliede
rungsprinzip und zum anderen Teil an der Art und der Zahl
der verfügbaren Quellen liegen. Es sei daher gestattet, diesem
Aspekt durch die Verteilung der Gewichte wenigstens in
dieser Rezension die wünschbare Prominenz zu verschaffen.
Die Bevölkerung von Rapa bewies, wie gut die Polynesier es
dann verstanden, nicht zu Opfern der Sklavenfänger und
-händler zu werden, wenn die strategischen Bedingungen
ihnen dies erlaubten. Darüber hinaus zeigten sie ein beein-
druckendes^Augenmaß für das unter den Bedingungen des
(Vor-)Kolonialismus politisch Machbare, als sie die Besat
zung eines Schoners, deren Absicht, sie zu versklaven, für sie
unzweifelhaft war, in gänzlich unblutiger Weise auf ihrer
Insel festsetzten und sodann den Kapitän zusammen mit
seinem Schoner den französischen Behörden in Tahiti für ein
ordentliches Gerichtsverfahren übergaben.
insgesamt bleibt das Buch von Maude sowohl seiner
stilistischen Qualität als auch des darin erschlossenen und
verarbeiteten außerordentlich umfangreichen Quellenmate
rials wegen eine dringend empfohlene Lektüre. Es macht
einmal mehr den Umstand bewußt, daß selbst die bloße
Ereignisgeschichte des europäischen Kolonialismus im Pazi
fik noch in weiten Bereichen kaum erschlossen ist und daß
für dessen historisch-sozialwissenschaftliche Erklärung noch
um so mehr zu leisten bleibt. Volker Harms
McKinnon, John, and Khun Wanat Bhruksasri (eds.).
Highlanders of Thailand. 358 pp., illustr. Oxford, New
York, Melbourne 1983. Kuala Lumpur-Oxford University
Press.
Das vorliegende Buch ist eine der neueren Publikatio
nen des Stammesforschungsinstituts in Chiang Mai, Nord-
Thailand. Die insgesamt 22 Beiträge wurden sowohl von
thailändischen Autoren wie auch von Ethnologen, Lingui
sten und Sozioökonomen verschiedener westlicher Länder
verfaßt. Einer der beiden Herausgeber, Khun Wanat Bhruk
sasri, ist der langjährige Direktor des Tribal Research Centre,
der andere, John McKinnon, einer der diesem Forschungs
und Dokumentationszentrum assoziierten ausländischen
Konsulenten. Die Publikation spiegelt also das Joint Enter
prise, d. h. das gemeinsame Unternehmen von thailändischen
Institutionen und ausländischen Fachkräften und wissen
schaftlichen Instituten, wider, das von Anfang an bei der
Gründung, 1964, dieses Stammesforschungsinstituts ins
Auge gefaßt worden war.
Dieses Research Centre hat den Zweck, die Feldfor
schung in den verschiedenen Disziplinen der Sozial- und
Kulturwissenschaften in der Region des nördlichen Südost-
Asien anzuregen und dabei auch die interdisziplinäre Zusam
menarbeit zu koordinieren. Es sollen in erster Linie die
ethnischen Minoritäten, die sog. Bergstämme und Bergvöl
ker Nord-Thailands, und ihre kulturellen, sozialen und
wirtschaftlichen Beziehungen zur Tieflandbevölkerung