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Objekt: Zentralblatt für Anthropologie, 15.1910

Zentralblatt für Anthropologie 
in Verbindung mit 
F. y. Luschan, H. Seger, Cr. Thilenius 
herausgegeben von 
Georg Buschan. 
Verlag von Friedrich Vieweg und Sohn in Braunschweig. 
15. Jahrgang. Heft 2. 
1910. 
A. Referate. 
I. Allgemeines, Methoden. 
1)0. P. G. Buekers: Die Abstammungslehre. 354 S. Leipzig, 
Quelle & Meyer, 1909. 
Buekers versucht es, den Nachweis zu führen, daß nicht die Selektions 
theorie die Abstammung der Arten uns völlig zu erklären imstande ist, sondern 
daß uns dies vielmehr mit Zuhilfenahme der Mutationslehre von Hugo de Vries 
gelingen kann. Während durch die Selektionstheorie die Biogenese zu einer 
analytischen Disziplin gestempelt wird, stellt sich dieselbe unter dem Gesichts 
winkel der Mutationstheorie als eine experimentelle, rein wissenschaftliche 
Disziplin dar. Die letztere lehrt, daß die Eigenschaften der Organismen aus 
scharf voneinander unterschiedenen Einheiten aufgebaut sind, welche zu 
Gruppen verbunden werden und in verwandten Arten wiederkehren können. 
Übergänge, wie sie die Selektionstheorie verlangt, gibt es hier nicht. Es sind 
deshalb die Arten auch nicht fließend, sondern stufenweise auseinander her 
vorgegangen; jede neue Art entsteht somit plötzlich aus der früheren, ohne 
Vorbereitung, ohne Übergänge. Bei den Bastardierungen handelt es sich um 
einfache Artmerkmale, sogenannte Elemente der Art, nicht um die Arten 
selbst. Während die Selektionstheorie die gewöhnliche oder individuelle 
Variabilität als den Ausgangspunkt der Entstehung neuer Arten annimmt, 
sind nach der Mutationstheorie diese beiden Erscheinungen voneinander un 
abhängig. Die gewöhnliche Variabilität kann nicht zu einem wirklichen 
Überschreiten der Artgrenzen führen, viel weniger noch zur Entstehung neuer 
konstanter Merkmale. Jede Eigenschaft entsteht demnach zwar aus einer 
vorher dagewesenen, doch nicht aus deren normaler Variation, sondern durch 
eine, wenn auch geringe, doch plötzliche Umänderung. Mithin können fluk 
tuierende oder lineare Variationen niemals das Material zur Bildung neuer 
Arten durch neue Zuchtwahl liefern, da sie zumeist zu gering sind, um eine 
Anpassung hervorzurufen, nie sogleich konstant sind, fast ausnahmslos eine 
retrogressive Natur aufweisen und da das biologische Zeitalter nach den Tat 
sachen der Geologie und Kosmographie zu kurz ist, um eine so große Um 
bildung von Organismen durch Selektion kleinster Variationen zu ermöglichen. 
Mutationen brauchen hingegen keine zweckmäßigen Anpassungen zu sein, 
um sich erhalten zu können; sie können plötzlich sehr große Abweichungen 
entstehen lassen und sind ebenso oft progressiv wie retrogressiv; sie sind 
Zentralblatt für Anthropologie. 1910. k
	        
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