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Volltext: Mitteilungen der Anthropologischen Gesellschaft in Wien, 3.F. 12=42.1912

Perioden zurück, wenn schon eine genauere chronologische Fixierung bei ihnen 
einigermaßen schwierig ist. Für die Entstehung der französischen Tricephalen können 
daher nur ostmittelländische und insbesondere griechische oder etruskische') Einflüsse 
in Frage kommen, für die die engen Handelsbeziehungen zwischen Orient und Rhöne- 
mündung ja vielfach Gelegenheit boten. 
Das schließt natürlich nicht aus, daß die Vorstellung von mehrköpfigen Gott- 
heiten oder Dämonen nicht auch schon früher unter den keltischen und ebenso den 
germanischen Völkern existiert haben könnten und die Trikerannosgestalt würde 
dann vielleicht nur eine auf orientalischen Einflüssen beruhende Modifikation dieser 
uralten Ideen bedeuten. Finden sich doch solche Vorstellungen auch in der germani- 
schen Mythologie oft genug vertreten, wo wir der Multiplizität des Kopfes ins- 
besondere bei Riesen begegnen 7. 
Als letzte europäische Kulturgruppe, in der eine dreiköpfige Gottheit eine 
größere Bedeutung erlangt hat, haben wir endlich noch die Slawen, besonders die 
Nordslawen, zu nennen, bei denen der Triglaw die Hauptgottheit bildete. Ein Berg 
bei Stettin und ein Dorf "bei Greifenberg führen noch heute seinen Namen. In Stettin 
hatte er einen prächtigen Tempel, bei dem ihm ein schwarzes Roß gehalten wurde, 
und in der Stadt stand eine große Eiche, die ihm geweiht 
war. Ebenso wurde er in Julin, einer 1170 zerstörten be- 
deutenden Stadt auf der Insel Wollin, ferner in Prenzlau und 
Alt-Brandenburg verehrt, wo ihm auf dem Harlunger Berg 
ein bedeutender Tempel errichtet war%. Endlich erwähne 
ich noch eine steinerne Triglawfigur, die noch bis ins 
17. Jahrhundert auf der Brücke von Grimma in Sachsen stand. 
Die drei vergoldeten Köpfe hoben sich aus einem Halse 
mit drei nach vorn gekehrten, nebeneinander in gleicher 
Linie stehenden Gesichtern empor und wurden durch einen 
Hut bedeckt. Ähnliche Figuren werden auch sonst noch von Sachsen erwähnt“). 
Bei noch weitergehender Verwachsung kommt es zunächst, wie wir es schon 
auf der linken Seite unserer in Abb. 60 wiedergegebenen Drillingsmißbildung ange- 
deutet sehen, .zu einer Vereinigung der beiden Hälse und schließlich auch noch der 
einander zugekehrten Gesichtspartien der beiden Früchte. Die medianen Augen 
können dabei entweder getrennt bleiben, und zwar stehen alsdann die beiden Augen 
der Einzelgesichter, falls diese stärker gegeneinander geneigt sind, schräg über- 
einandet, wie wir es nach dem erwähnten Drillingsbilde schon von vornherein er- 
warten dürfen und bei der in Abb. 66 reproduzierten Syncephalie in der Tat auch 
sehen. Diese Mißbildungsform findet sich, wie Bab gezeigt hat, in der asiatischen 
Sakralkunst bei gewissen Tanzmasken in geradezu überraschender Naturtreue wieder 
und selbst die am Original erkennbaren Reste der Verwachsungslinie sind hier durch 
die beiden über die Nasenwurzel und an der Stirn der Masken befindlichen Gold- 
tupfen zum Ausdruck gebracht. 
!) Vgl. bes. das Monum. ined. dell’ Istit. arch., IX T. 15 abgebildete etruskische Wandgemälde 
mit dem dreiköpfigen Riesen Briareos. 
2) Hymiskwidha 34: Da sah er aus Höhlen mit Hymir von Osten Volk ihm folgen vielgehauptet. 
Skirnisför 31: Mit dreiköpfigen Thursen mußt du das Leben teilen. — Weitere Beispiele: Vafthrudnis- 
mäl 31, wo von einem sechsköpfigen Riesen die Rede ist, und Hymiskwidha 9, wo sogar eine 
900 köpfige Riesin erscheint 
3) Anonymi vita S. Ottonis libr. II 0. 31 in Ludewig script. rer. Bamb. p. 680. 
y Albinus, Meißnische Land- und Bergchronika, 1590, S. 149. 
Abb. 66. Syncephalie. 
Aus Ahlfelds Atlas, Die Miß- 
bildungen des Menschen.
	        
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