Bibliographia
Lommel Andreas und Zerries Otto [edit.]. JRO-Völkerkunde. Traditionen und Kultur
wandel im Ansturm der modernen Zivilisation. Afrika, Amerika, Asien, Australien,
Ozeanien. 249 pp. in 4°. Mit 270 Taf., 43 Federzeichnung, und 33 Kt. München 1962-
JRO-Verlag. Preis; DM 68,—.
Als Auswirkung des zweiten Weltkrieges und der Ereignisse der darauffolgenden
Jahre trat der Gegenwartsaspekt der exotischen und „unterentwickelten“ Völker immer
mehr in den Vordergrund. Schon das im Jahre 1940 von D. Westermann herausgegebene
Buch „Die heutigen Naturvölker im Ausgleich mit der neuen Zeit“, in dem sich der Aus
druck „unterentwickelte“ Völker bereits findet, behandelte diesen Gesichtspunkt. Auch
im Schlußartikel des von L. Adam und H. Trimborn herausgegebenen „Lehrbuches der
Völkerkunde“ findet sich unter der Überschrift „Die Zukunft der Naturvölker“ (p. 269 ft )
manches von dem erörtert, was in dem vorliegenden Werk von einer Anzahl Ethnologen,
die ihr Gebiet zumeist aus Reiseerfahrungen kennen, dargeboten wird. Im Unterschied
zu einer allgemeinen Ethnologie, wie sie K. Birket-Smixh und K. Dittmer (in kleinem
Umfang) dargestellt haben, handelt es sich hier um eine regionale Völkerkunde, in der die
Völker selbst zur Sprache kommen. Die Schriftleitung besorgte ein namhafter Geograph,
also ein Vertreter jenes Faches, aus dem sich sowohl die spezielle historische (Tomaschek)
als auch die kulturhistorische (Ratzel) Völkerkunde abgezweigt haben. Die Darbietung
beschränkt sich auf die außereuropäischen Völker, während die europäischen mit den
besonderen Rückzugsgebieten älterer Kulturschichten in diesem Erdteil, nämlich Balkan
und Kaukasus, einem volkskundlichen Gegenstück Vorbehalten sind. Der volkskundlichen
Forschungslage nähern sich auch die Exoten immer mehr, weil die Begegnung mit der
Zivilisation hier neben der „Mutterschicht“ des ursprünglichen Zustandes schon vielfach
eine in der Auseinandersetzung mit höheren Kultureinflüssen entstandene Tochterschicht
geschaffen hat, der allerdings die Integration durch eine neue Weltanschauung in der
Regel noch fehlt.
Drei Artikel behandeln alte Hochkulturgebiete: das vorderasiatische, sowie das
indische und das chinesische, mit dem stark sinisierten und dann europäisierten Jap an
im Osten und mit dem indisierten und sinisierten Tibet im Süden. Der Verfasser des Arti
kels über Vorderasien, W. Dostal, hat bekanntlich das Verdienst, diesen Raum als erster
systematisch vom ethnologischen Standpunkt aus in Angriff genommen zu haben. Gründ-
lieber ist er bisher freilich nur in das arabische Gebiet eingedrungen. Ägypten und Äthr°'
pien blieben abseits liegen, wohl aber wird außer dem arabischen Teil der Iran eingehender
behandelt, weniger die alte hochkulturelle Mittelzone; Mesopotamien und der Iraq-
einer Art Kabinettstück wurde die Darstellung des Akkulturationsprozesses in Kuweit
(p. 60 ff.). Gegensätzlich zueinander verhalten sich die Artikel über Indien von E. MaN^
dorff, und über China und die angrenzenden Hochkulturländer samt der Mongolei v ° n
K. R. Schwarz-Schilling, der zwar sinologisch von Herbert Franke und WalTL r
Fuchs geschult ist, aber keine völkerkundliche Ausbildung (p. 209) angibt. ManndorD