Ägyptische Altertümer des Linden-Museums II
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den Köpfen auf den Deckeln bildlich ausdrückt: neben den Menschenkopf treten jetzt
noch Affen-, Schakal- und Falkenkopf 3 ).
Dem Linden-Museum gehört der Gefäßkörper einer solchen „Kanope“ (Abb. 1).
Das dickwandige Gefäß, 29,2 cm hoch und mit dem größten Durchmesser 17,5 cm,
besteht aus hellgelbem Alabaster; es ist sorgfältig geglättet, aber nicht ganz exakt ge
rundet. Die vier Zeilen der Inschrift auf der Vorderseite sind voneinander und von
der übrigen Fläche durch Linien getrennt; oben begrenzt sie eine stärkere Linie, die
vielleicht die Form der Hieroglyphe für Himmel hat. Der Text bietet den formel
haften Segensspruch; „Ich schlinge meine Arme um das, was darin ist und schütze den
Hapi, der darin ist; den Osiris, den Vertreter des Schlosses im Ptahtempel Huti.“
Huti ist also der Name des Mannes, zu dessen Bestattung das Gefäß einst gehörte.
Aus dem Vierersatz ist das dem Genius Hapi anvertraute Gefäß übriggeblieben, dem
der Affenkopf zugehört — rechts neben dem Inschriftblock sehen wir seine Gestalt.
Während einer bestimmten kurzen Epoche wurde jedem der vier Eingeweidegötter
auch noch eine Gottheit des großen Pantheons zugeordnet, dem Hapi die Göttin Neith,
die links neben der Inschrift, ihr Schriftzeichen auf dem Kopf, abgebildet ist und die
die oben angeführten Worte spricht. Nach dieser Doppelung der Schutzgottheiten und
nach dem Typus der Inschriften läßt sich unser Gefäß recht gut datieren, auch wenn
die Form des Gefäßkörpers keinen Anhalt bietet, da er sich durch Jahrhunderte gleich
bleibt. Das Stück muß aus dem Ende der 18. Dynastie oder der ersten Zeit der
19. Dynastie stammen, also aus der Zeit zwischen 1320 und 1290 4 ).
2.
Der Menschenkopf von Tafel I stammt unzweifelhaft von einem solchen
Eingeweidekrug, wie der untere Abschluß lehrt. Nach seiner Größe (Höhe
13,9 cm) könnte man an eine Zugehörigkeit zum Unterteil des Huti denken. Dagegen
spricht höchstens der ungleiche Stein: Der Alabaster des Kopfes ist wesentlich heller
und spröder. Doch trifft man gelegentlich verschiedene Steintönungen für Gefäß und
Deckel, so daß dieses Argument gegen die Zugehörigkeit nicht zwingend ist.
Das Köpfchen ist von hohem Kunstwert. Es ist bis auf eine fast unsichtbare Ver
letzung an der Nase, wo der überaus spröde Stein etwas gesplittert ist, tadellos er
halten, wenn es auch die Farbe völlig verloren hat. Wir müssen uns die Lippen rot,
die Augäpfel und die Brauen mit den sie verlängernden Schminkstrichen schwarz
gemalt denken. Der Mann trägt eine Perücke, deren Löckchenreihen — durch einfache
parallele Rillen angegeben — das Gesicht scheitellos umrahmen, indem sie über der
Stirn waagerecht ansteigen. Hinten dagegen fallen diese Reihen senkrecht ab, indem
sie ineinanderstehende Bögen bilden, deren innerster nur noch aus zwei senkrechten
Parallelen besteht, die oben mir einem kleinen Halbkreis verbunden sind. Die Ohren
3 ) Die vier Genien, mumienförmig mit den entsprechenden Köpfen, zeigt auch unser
Totenpapyrus, und zwar auf der Lotosblüte vor Osiris; Abb. 4.
4 ) Zu den Typen der Gefäße und Inschriften vgl. K. Sethe, Zur Geschichte der Ein
balsamierung bei den Ägyptern: Sitzungsber. d. Preuß. Akad. d. Wiss. 1934,
S. 211—239.