Volltext: Tribus, 10.1961,N.F.

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Buchbesprechungen 
verändert, mit welcher Intensität es sich be 
müht, Anschluß an die westliche Zivilisation 
und deren Lebensstandard zu finden. Das 
sollte ein Grund mehr sein, die Völkerkunde 
Afghanistans rasch voranzutreiben. Hum- 
lums schöne Arbeit ist in hohem Maße ge 
eignet, hierfür als notwendige geographische 
Basis zu dienen. 
F. Kussmaul 
/. IV. H. WEYGANDT: 
Kapälam. Über den Ursprung des vedischen 
Voropfers. Eine indologisch-ethnologische 
Studie. Selbstverlag Gütersloh/Westfälen, 
Parkstr. 4. 1957; geh. DM 8.— (Orienta 
lische Abhandlungen IV). 
Die Tötung eines göttlichen Wesens in der 
Urzeit, die Entstehung der Nutzpflanzen aus 
seinem Leichnam, die Beziehung der getöteten 
Gottheit zum Mond und die kultische Nach 
vollziehung dieser ersten Tötung im Opfer, 
bei der Reifezeremonie oder durch die Kopf 
jagd: das sind die zentralen Vorstellungen, 
die das Weltbild der frühen Pflanzer bestim 
men. Angeregt durch dieses Forschungsergeb 
nis Ad. E. Jensens (Das religiöse Weltbild 
einer frühen Kultur, Stuttgart 1948) unter 
nimmt es der Verfasser, nach Spuren dieses 
Mythologems und nach hierhergehörigen 
Opferbräuchen in den altindischen, vedischen 
Ritualtexten zu forschen. 
Folgendes Material, das in diesen Zusam 
menhang zu gehören scheint, legt er vor: 
1. Bei der „Purodäsa“ (Voropfer) genann 
ten Zeremonie, wird Reis (oder Gerste) mit 
Wasser vermengt, zu einer Kugel geballt, auf 
einem Holzschwert zu einem Opferfeuer ge 
bracht, dort halbgar gekocht, dann auf einer 
kreisrunden Schale (kapäla-), die aus (ur 
sprünglich) acht irdenen Scherben zusammen 
gesetzt ist, gebacken, wobei noch brennende 
Gräser daraufgelegt werden. Dann wird der 
Kuchen mit flüssiger Butter gesalbt und bis 
zu seiner Aufteilung in einem anderen Gefäß 
verwahrt. 
Die Opfertheoretiker identifizieren kapäla- 
mit der Hirnschale mit ihren acht Haupt 
knochen, den Kuchen mit dem Hirn, die 
daraufgelcgten Gräser mit den Haaren. An 
anderen Stellen werden kapäla- und die Erde 
gl eich gesetzt. 
Der Rciskloß des Voropfers wird wieder 
holt „Haupt des Makha“ genannt. In einem 
Text wird von der Tötung des Makha durch 
die Götter erzählt, bei der der Glanz seines 
Lächelns entwich und in die Pflanzen gelegt 
wurde, wodurch die Hirse entstand. 
Das Ausgießen des Wassers, in dem die 
Teigschüssel gespült wurde, geschieht mit 
einem Spruch, der anscheinend eine Schuld 
(Brahmanenmord?) sühnen soll. 
2. Bei einem anderen Opfer (agnicayana-), 
bei dem u. a. der Kopf eines Menschen als 
Bauopfer für die Schichtung des Feueraltars 
niedergelegt wird, kann der Kopf des Men 
schen durch einen goldenen oder irdenen Kopf 
ersetzt werden; oder es kann der Menschen 
kopf für 21 Bohnen gekauft werden, die dann 
die Stelle des Kopfes bei der Leiche vertreten. 
3. Die Tötung zweier Asuras (Dämonen) 
durch Indra und die Entstehung zweier (im 
übrigen unbedeutender) Pflanzenarten aus 
ihren Köpfen ist Bestandteil einer anderen, 
in vielen Einzelzügen sehr dunklen Mythe. 
Ich bin völlig überzeugt, daß wenigstens 
die hier unter 1. und 3. kurz referierten Aus 
sagen letztlich in irgendeiner Weise zu dem 
von Jensen aufgedeckten Weltbild in Bezie 
hung stehen. 
Die Wirtschaftsgrundlage der vedischen In 
der war allerdings die Viehzucht, neben wel 
cher der Ackerbau eine durchaus untergeord 
nete Rolle spielte. Die Schaffung der Nutz 
pflanzen kann deshalb auch nicht als das ein 
schneidende Ereignis erscheinen, das die Ur 
zeit beendete — und wirklich sind die Be 
ziehungen von Kopf und Pflanze (gemes 
sen an der ungeheuren Stoffmasse der Ritual- 
texte) nur in ganz schwachen Andeutungen zu 
greifen. 
Sehr skeptisch bin ich gegenüber der Ansicht 
des Verfassers, daß die hier aufgezeigten 
Vorstellungen aus dem nichtarischen, auto- 
chthonen Substrat stammen könnten. Dagegen 
spricht vor allem die Esoterik der Ritual 
texte und ihre strenge Bewahrung in den 
brahmanischen Kreisen. Wenn wir in dem um 
vieles älteren Rigveda auf weite Strecken 
parallele Aussagen nicht finden, so ist das 
kein Beweis für spätere Rezeption. Wir müs 
sen uns vor Augen halten, daß der Rigveda 
offensichtlich bestimmte Bereiche des Mythos 
und Kultus ausgeklammert hat. 
Wäre nicht auch denkbar, daß der Mythos 
von der Köpfung eines Dämonen altes Erbgut 
ist und wir hier eines der Elemente haben, 
aus denen der in Rede stehende pflanzerische 
Mythos erst geschaffen wurde?
	        
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