Buchbesprechungen
181
Denn diese durch Inhalt und Darbietung
beispielhafte Arbeit setzt der unabdingbaren
Forderung nach solider Sach- und Material
kenntnis — der praktischen Seite der Völker
kunde — ein Zeichen. Aus den Antworten auf
die Fragen nach dem was?, woher?, wie? und
warum? resultiert das Verstehen, und wir
sind ketzerisch genug, dem „Begreifen“ einer
Sache noch immer den Vorrang vor allem
Spekulieren einzuräumen. Es kann die Zeit
kommen (wenn sie nicht für viele sogar schon
da ist), da es leichter scheint, über soziologi
sche Probleme zu theoretisieren, als die Ent
stehung und Funktion eines Handwerksstük-
kes zu erklären. Man wird einem Kunst- oder
Fland-Werk nur gerecht, wenn man wenig
stens ahnt, welches die technischen und kultur
bedingten Voraussetzungen waren. Dann erst
wird man unterscheiden können, was z. B. alt
und traditionsgebunden ist — woraus sich
ergibt, wieviel Zeugnis- und Aussagekraft ein
Objekt für ein Kulturbild hat. Die Ethno-
graphika dem interessierten Laien wie dem
Ethnologen gegenüber zum Sprechen zu brin
gen, ist doch wohl die eigentliche und schöne
Aufgabe des Museumswissenschaftlers.
Ich lobe also an J. Gabus’ Werk, daß es
sich der Interpretation verschrieben hat. Es
will bei aller Genauigkeit kein Inventar sein,
sondern an Hand ausgewählter, aber typi
scher Stücke die Hauptzüge der geistigen und
materiellen Welt der Mauren, der Tuareg und
der Fulbe Bororo aufzeigen. Aus Marokko,
Algerien, Lybien, aus Senegal, dem ehern,
französischen Sudan, dem Nigergebiet und
aus dem nördlichen Nigerien sind Belege zu
sammengetragen, und Walata gilt als Beispiel
einer alten Saharastadt, während Tahua den
klassischen Typ eines Sahcl-Marktes, Treff
punkt von Nomaden und Seßhaften, abgibt.
Natürlich läßt sich darüber streiten, ob J.
Gabus gut daran getan hat, einen so vagen
Begriff wie „Mauren“ zu benutzen, ob die
Fulbe Bororo eindeutige Wüstennomaden
sind, oder, ob nicht auch die Fezzaner und
die Leute Ennedis notwendig in den Kreis der
Betrachtung gehörten. Ich denke, J. Gabus
hätte sie gerne miteinbezogen, wenn er von
ihnen mit der gleichen Sicherheit und Erfah
rung, wie von den genannten Gruppen hätte
berichten können. Die zwangsläufige Beschei
dung ist indirekte Aufforderung an die, wel
che von der „Kunst und den Symbolen“ der
Ostsahara gleich fundiert zu berichten wissen!
Vielleicht zieht man dann die Lehre aus der
Tatsache, daß einem so vorbildlich Inszenier
ten Werk religionsgeschichtlich, linguistisch
und kunstgeschichtlich tiefergehende Einlei
tungskapitel nur förderlich sind. Doch — die
paar Mängel betont herauszustreichen, hieße
am Wesentlichen vorbeizugehen.
Wer je einem Handwerker zugesehen hat
und erlebte, wie das entstand, was dann
„Sammlungsgegenstand“' wurde, wird der Ar
beit J. Gabus' vorbehaltlos Anerkennung zol
len. Er wird feststellen, daß es zahlreiche
Möglichkeiten der Wiedergabe eines Objektes
gibt — und Gabus die besten gewählt hat. Er
hat ein gutes Stück Saharakenntnis vermittelt,
wofür man ihm danken muß. Mir spricht er
aus dem Herzen, wenn er sein Buch den
„Handwerkern und Nomaden“ der größten
der Wüsten widmet. Museumsleute erscheinen
oft als Herbarienbetreuer, die vor fahlen,
trocknen Blüten und Blättern von Farben
und dem Biotop der jetzt zerdrückten Pflanze
erzählen. Mir scheint, der Kollege aus Neu
châtel hat es wie selten einer verstanden, nicht
nur Blüten zu pflücken, sondern die ganze
Pflanze mit dem Wurzelgrund auszuheben.
Nun hegt er sie weiter und ist freundlich ge
nug, andere daran teilhaben zu lassen.
W. Konrad
Jewish Domestic Architecture in San‘a,
Yemen. With an Introduction and an Ap
pendix on Seventeenth Century Docu-
ments relating to Jewish Hauses in San‘a
hy S. D. Goitein. Jerusalem 1957. 80 S.
(Oriental Notes and Studies, published by
the Israel Oriental Society. 7).
Der Verfasser dieser Schrift unternahm in
den Jahren 1927/28, 1931, 1934 und 1937/38
vier Reisen nach Südwestarabien, um dort
ethnologische, geographische und archäologi
sche Studien zu treiben. Dabei befaßte er sich
auch mit den Juden in Jemen. Das ist inso
fern besonders erfreulich, als dies die letzten
Gelegenheiten gewesen sein dürften, das dor
tige jüdische Kulturleben, welches durch die
vor einigen Jahren erfolgte Austreibung der
Juden dem Untergang geweiht ist, an Ort
und Stelle noch in allen seinen Lebensäuße
rungen zu studieren. Dem Verfasser fiel auf,
daß sich die Häuser im Judenviertel in San'a
in der Anlage und Architektur ganz wesent-
CARL RATH JENS: