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Buchbesprechungen
deres Augenmerk richtet Rouch dabei auf die
Besessenheitskulte. Schließlich ist noch das
Kapitel über die Magie zu erwähnen, das
trotz der eingehenden Behandlung einzelner
Züge wohl noch die meisten Lücken des Ma
terials aufweist. Eine Untersuchung dieses
Aspektes der Religion wäre etwa in dem
Umfange wünschenswert, in dem das seiner
zeit durch Evans-Pritchard für die Zande
geschehen ist.
Das Buch von Rouch birgt eine ungeheure
Materialfülle. Eine Auswertung der älteren
Literatur hat der Verfasser in gewissem Um
fange vorgenommen. Sie hätte aber vielleicht
noch eingehender erfolgen sollen. So vermißt
man z. B. die Arbeiten von Frobenius („Und
Afrika sprach“ und „Dämonen des Sudan“),
von denen Rouch wenigstens die erstgenannte
gekannt und in ihrer Bedeutung erfaßt hat
(vgl. „Les Songhay“, Paris 1954). Für die
Besessenheitskulte der Holey verweist Rouch
in seinem Schlußwort auf die Parallelen bei
Hausa (Bori) und Yoruba (Orisha) und in
Nordostafrika (Zar). Zweifellos wäre es an
der Zeit, das afrikanische Material über Bc-
sessenheitskulte in einer vergleichenden Studie
zu untersuchen. Ob man allerdings die Be
sessenheitskulte der Songhay als Schamanis
mus bezeichnen kann, wie Rouch (S. 301) an
deutet, erscheint mir vorerst ungewiß.
Man merkt dem Buch an, daß es das Er
gebnis einer Forschung darstellt, die sich über
mehr als ein Jahrzehnt erstreckt. Es kann als
Musterbeispiel dafür angesehen werden, daß
es gut Ist, immer wieder in demselben Gebiet
zu arbeiten und das Material zu vervollstän
digen, ehe man es publiziert. Der Verfasser
kann zum Ergebnis dieser Arbeit beglück
wünscht werden.
J. Zwernemann
EVA L. R. MEYEROWITZ:
The Divine Kingship in Ghana and Ancient
Egypt. London: Faber and Faber Ltd. 1960.
260 S., Abb. Preis 63 s.
Das vierte Werk, das die Verfasserin nach
„The Sacred State of the Akan (1951), „Akan
Traditions of Origin “ (1952) und „The
Akan of Ghana“ (1958) nunmehr vorgelegt
hat, ist dem sakralen Königtum der Akan
gewidmet. Die Verfasserin bemüht sich, Ver
bindungen zwischen dem sakralen Königtum
der Akan und dem Altägyptens aufzuzeigen.
Deutlich tritt die Absicht zutage, letztlich so
gar die Herkunft des Akan-Königtums aus
Ägypten zu beweisen. Der Charakter des
sakralen Königtums bringt die Verfasserin
dabei zwangsläufig zu einer Betrachtung reli
giöser Vorstellungen, die, obgleich mit dem
Königtum verbunden, doch etwas darüber
hinausführen, nämlich zu den Vorstellungen
von den Himmelsgöttern. Mit großem Ge
schick weiß Eva Meyerowitz teilweise frap
pante Parallelen anzuführen. Wenn man auch
nicht immer bereit sein kann, die Beweis
führung zu akzeptieren — besonders der
Vergleich der Göttervorstellungen erscheint
manchmal etwas willkürlich —, so ist sie doch
in zahlreichen anderen Fällen recht einleuch
tend. Die Verfasserin versucht nicht aus
schließlich eine Interpretation des Akan-
Materials mit Hilfe des altägyptischen Mate
rials, sondern sie bemüht sich ebenso, altägyp
tisches Quellenmaterial mit Hilfe des Akan-
Materials zu interpretieren.
Weitgehend kann die Verfasserin auf ihre
früheren Publikationen zurückverweisen, aber
sie bringt auch in ihrem neusten Buch eine
Menge Feldforschungsmaterial von den Akan
(wieder vorwiegend aus Bono-Takyiman), so
daß das Werk auch in dieser Hinsicht als
wertvolle Bereicherung der Literatur über die
Akan angesehen werden kann.
Bedenklich erscheint, daß die Verfasserin —
trotz m. E. berechtigter Kritik von berufener
Seite — nach wie vor an dem ausschließlich
auf Grund von Traditionen von ihr rekon
struierten Herkunftszentrum (westlich Tibesti)
und Wanderweg (via Timbuktu) der Akan
festhält. Herkunft und Wanderweg der Akan
werden als historische Tatsachen behandelt,
obwohl der Beweis noch nicht erbracht wurde.
Noch ein zweites Bedenken muß erhoben wer
den: wenn die Parallelisierung von Akan-
und altägyptischem Material der Verfasserin
in vielen Fällen auch gelungen ist, so steht der
kulturhistorische Beweis für den direkten Zu
sammenhang noch aus, nämlich der Nachweis
des Wanderweges. Wahrscheinlich liegt viel
daran, daß der Wadai und Darfur völker
kundlich immer noch recht schlecht erforscht
sind.
Die Versuche, linguistische Interpretationen
zu geben, sind nicht immer gelungen. An
einer Stelle (S. 76) heißt es, das Akan-Wort
für Blitz, „sraman“ (richtiger; osrämeuj) sei
von „sreme“ (richtiger: osreme oder oram’),
Mond, abgeleitet. Phonologisch und tonolo-
gisch ist diese Verbindung nicht herzustellen.