Volltext: Tribus, 10.1961,N.F.

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Buchbesprechungen 
URSULA SCHLENTHER: 
Brandbestattung und Seelenglauben. Ver 
breitung und Ursachen der Leichenverbren 
nung bei außereuropäischen Völkern. Ber 
lin: VEB Deutscher Verlag der Wissen 
schaften 1960. XII + 261 S„ 32 Abb., 
XVII Tabellen. 
Die vorliegende Arbeit wurde 1957 von der 
Philosophischen Fakultät der Humboldt-Uni 
versität Berlin als Habilitationsschrift ange 
nommen. Sie wurde danach zur jetzigen Form 
erweitert und durch neue Literatur ergänzt. 
Die Verfasserin stellt ihr Material regional 
gegliedert dar und bringt in einem Schluß 
kapitel ihre Ergebnisse. Ziel der Unter 
suchung ist es, die Brandbestattung über die 
ganze Erde (mit Ausnahme Europas) sowohl 
prähistorisch wie völkerkundlich zu erfassen, 
die Verbreitung festzustellen und die tieferen 
Gründe, die zur Verbrennung des Toten füh 
ren, zu erarbeiten. Dazu werden neben dem 
Vergleich mit der sozialökonomischen Struk 
tur die Seelen- und Jenseitsvorstellungen her 
angezogen. 
Die Arbeit muß so in drei Stadien gesehen 
werden: prähistorisches und rezentes Vorkom 
men der Brandbestattung — Zusammenhang 
mit der Sozialstruktur — Begründung des 
Verbrennens aus Seelen- und Jenseitsvorstel 
lung. 
Es scheint, daß eine solch ungeheure Auf 
gabe, die die ganze Erde umfassen soll, von 
vornherein die Möglichkeiten eines Autors 
übersteigen muß, wenn er alle Aspekte gleich 
wertig bearbeiten will — dies auch dann, 
wenn er für die soziologische Seite schemati 
sche marxistische Begriffe wie „Urmensch“, 
„Urgesellschaft“, „Gentilgesellschaft“ etc. be 
nutzt. Die Voraussetzungen wären über all 
gemeine völkerkundliche und prähistorische 
Kenntnisse hinaus vor allem religionsethno 
logische Kenntnisse auf dem äußerst schwie 
rigen Gebiet der Seelenvorstellungen, und 
dies alles für sämtliche Erdteile. Das scheint 
eine Voraussetzung, die heute kaum noch von 
einem einzigen Fachwissenschaftler erfüllt 
werden kann, so sehr es von Nutzen wäre, 
bestimmte völkerkundliche Themen verglei 
chend für die ganze Erde vorzulegen. 
Daß man bei dem Umfang des Buches die 
Zusammenhänge auch nicht annähernd in 
wirklicher Tiefe darstellen kann, wird klar, 
wenn man bedenkt, daß für die Behandlung 
des Vorderen Orient 4, des Kaukasus 4, Hin 
terindiens 7, Indonesiens 7, Chinas 3, Koreas 
und Japans 5, Tibets 2 Seiten zur Verfügung 
stehen, daß etwa die Seelenvorstellungen 
Australiens auf einer Seite abgehandelt wer 
den. Auf diesem Raum sind gerade die Be 
lege für das Vorkommen der Brandbestattung 
anzuführen. Tabellen am Ende jedes Ab 
schnitts (ähnlich Tabelle XV) hätten ein noch 
besseres Arbeiten mit dem Buch ermöglicht. 
Nach Stichproben der Belege im Abschnitt 
„Ozeanien“ ist folgendes zu ergänzen: 
Truk: Nach Bollig wird angegeben, daß 
Eigentum und selbst die Leiche eines Wurm 
kranken verbrannt wurden. Die sehr wesent 
liche Bemerkung beim gleichen Autor über 
den Grund des Verbrennens von Eigentum 
(p. 22) ist jedoch nicht beachtet: „Im Rauche 
des Feuers soll die Seele ihren Flug nach oben 
vollziehen." 
Mangaia: Der Beleg für das Verbrennen 
Gefallener auf dieser Insel fehlt (Hiroa, 
Mangaian Society, 1934, p. 197). 
Melanesien: Die wichtige Arbeit von Spei 
ser, „Über Totenbestattungen in Insel-Mela 
nesien“ (IAE 1942) ist nicht erwähnt. 
Papua; Abgesehen davon, daß der Autorin 
der Begriff „Papua“ nicht geläufig zu sein 
scheint, vermutet Wirz durchaus nicht, daß 
Leichenverbrennung bei den von ihm unter 
suchten Bergstämmen von Holländisch-Neu- 
guinea die einzige Art der Beisetzung sei 
(Wirz 1924, p. 81/82, Anm. 1). Für West- 
Neuguinea fehlt außerdem der Beleg bei Le 
Roux (De Bergpapoea’s van Nieuw-Guinea 
en hun Woongebied, II, 1950). 
Buin: Hier fehlen zum Verständnis der 
Verhältnisse im Hinblick; auf die Seelenvor 
stellungen vor allem die wichtigen Beiträge 
von Hilde Thurnwald (z. B. in: Beiträge zur 
Gesellungs- und Völkerwissenschaft, 1950). 
Zur Frage der Seelenvorstellungen in Insel- 
Melanesien stünde außerdem eine Arbeit von 
Ivens (JRAI 1934) zur Verfügung, die we 
sentlich ausführlicher ist als die Anmerkun 
gen der Autorin über das Verhältnis von 
Seele und Schatten etc. 
Keinesfalls ist bei dem Umfang der Kapitel 
eine wirkliche Diskussion und klare Bearbei 
tung der Seelen- und Jenseits Vorstellungen 
möglich, wie sich auch erweist. Hierzu werden 
einzelne Angaben einzelner Autoren kritiklos 
angeführt, ohne diese Frage auch nur an 
nähernd erst für sich und dann im Verhältnis 
zur Brandbestattung zu klären. Es fällt auf, 
daß faktisch die gesamte grundlegende, zu 
sammenfassende und neuere Literatur über
	        
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