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E. W. SCHMIDT
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Bemalung den in Hals und Kopf, Form und Augendarstellung gleichen Vogel auf wie die
unten links dargestellte Baumrinde; von den Flügeln sind nur noch die (hier verdoppelten)
Kreise übrige geblieben. Der Sprung in der Umzeichnung ist hier verhältnismäßig so groß,
daß die Möglichkeit besteht, der Maler habe mit unbewußter Benutzung der stilisierten
Vogelform hier schon ein wirkliches Menschengesicht andeuten oder wiedergeben wollen.
Die ,,Ergänzungsaugen“ hat er noch übernommen, obwohl sie hier schon ihren Sinn verlieren.
Es sei hierbei bemerkt, daß natürlicherweise von der oben erwähnten typischen Flügel
zeichnung die an den Kreis anschließenden Bogenlinien manchmal fortfallen können oder
müssen, besonders wenn die Flügel seitlich ausgebreitet sind, in welchem Falle die Zeichnung
schon aus Gründen des Raumes nicht mehr so angebracht ist, wie auf den nach hinten ge
richteten, langgestreckten Flügeln. Aus praktischen Gründen sei die auf Abb, I unten links
dargestellte, schlankköpfige Vogelform als „Typ 1“, die auf dem Rindenstück unten in der
Mitte gemalte breitköpfige, rundflügelige (alsVogel angenommene) Figur mit eingeschnürtem
Hals (Flügelkreise meist ohne Kreisbogen) als „Typ 2“ bezeichnet. Bei dieser Gelegenheit
sei auch auf die langhalsigen Vogelköpfe der gleichen Abbildung (auf den Baumrinden unten
in der Mitte, in den vier Ecken und oben links; in diesem Bilde unten, liegend) und auf ihre
Wiederkehr in stilisierter Form bei mehreren Schilden (Federschild) verwiesen und diese
Figur mit „Typ 3“ bezeichnet. Während der Vogeltyp 1 verhältnismäßig selten dargestellt
ist (Fig. 3 von Fig. 1), kehrt der breitköpfige, rundflügelige Typ 2 mit eingeschnürtem Halse
auf mehreren Schilden der Brettform vom Töpferfluß besonders deutlich wieder (Abb. XI,
Nr, 1—3).
Auf dem genannten alten Schilde von Potsdamhafen (Fig. 1) ist diese Vogelfigur vom
Typ 2 oben sehr realistisch dargestellt. (Fig. 2 gibt eine sehr genaue Skizze wieder.) Der
breite Kopf trägt zwei nach oben gerichtete große, runde Augen, in der Gegend der Ohren
sitzen an ihm zwei nach hinten verlaufende, breite Lappen. Der Kopf erhält durch diese
Darstellung etw r as reptilartiges. Die Federzeichnung auf den Flügeln ist durch parallele
Strichreihen angedeutet. Bei den nach hinten gerichteten Füßen sind die einzelnen Zehen
herausgearbeitet. An den Flügelschultern fallen zwei rückwärts gerichtete Haken auf.
Wegen dieser merkwürdigen Haken, des breiten Kopfes, der ohrartigen Lappen und der
großen runden Augen bestehen natürlich Zweifel ob es sich hier um einen Vogel oder um
ein anderes geflügeltes Tier handelt. Die Gestaltung der Figur läßt fast den Gedanken auf-
kommen, ob es sich hier vielleicht um ein fledermausartiges Tier (fliegender Hund in
hängender Stellung?) handelt (vgl. betreffs dieser Deutung auch die Figur oben auf dem
Schild in Abb. 1, Nr. 4 mit den in breiten Lappen auslaufenden Füßen).
Ein gutes Beispiel für ein scheinbar stilisiertes Gesicht finden wir im Hauptornament
des gleichen Schildes (Fig. 3). Dieses gibt genau den Vogel vom Typ 1 wieder. Es handelt
sich bei dieser Figur um eines von den Motiven, die so oft fälschlich als stilisierte ,,Gesichter“
aufgefaßt werden.
Zum Verständnis eines ebenfalls häufig auftretenden ornamentalen Bandes, besonders
längs der senkrechten Mittellinie der Schilde von Potsdamhafen und anderer (auch längs
der Ober- oder Unter kante), sei auf ein verziertes Brett hingewiesen (Fig. 11—12), welches
das Originaltier, dessen Körper das genannte Bandmuster in z. T. hochstilisierter Form
enthält (Fig. 12 u. 15), in realistischer Darstellung zeigt. Dieses Tier ist ein Reptil, wohl eine
Eidechsenart. Auf dem genannten ornamentalen Bande gehen bei der Darstellung in stilisierter
Form immer die Vorderfüße in die Hinterfüße des vorhergehenden Tieres über (Fig. 13 u. 15).
Manchmal bildet dieses Tier in hochstilisierter Form als Einzeltier das oberste Ornament der
Schilde wobei die Füße in Spiralen auslaufen, oder es bedeckt die vordere Schildfläche
(Abb. I a, Nr. 3)5 teils auch in Reihen gesetzt und quer gestellt die Seitenteile der Schildwand.
Es ist dies das von Reche als ,,Schmetterlingsfigur“ benannte Muster, In dieser Form