REISEN IM GEBIET DER
AGUARUNA
VON
HANS H. BRÜNING 1
Im Jahre 1902 wurde von Chiclayo aus eine Expedition nach dem Maranön ausgerüstet,
um eine leichte Verbindung zwischen der pazifischen Küste und dem Flußgebiet östlich des
Andengebirges aufzusuchen. An dieser hatte ich Gelegenheit mich zu beteiligen. Sobald das
hierfür ausgesetzte Geld ausging, habe ich sie auf eigene Kosten weitergeführt. Während
kurzer Zeit kamen wir auf dieser Reise mit den noch ziemlich im Urzustand lebenden In
dianern, welche beide Ufer des oberen Maranön und dessen Zuflüsse bewohnen, in Berührung.
Das in folgendem Mitgeteilte beruht teils auf eigenen Beobachtungen, teils sind es Angaben
der wenigen Weißen, welche als Gummisammler unter den Indianern leben.
Das von den Indianern bewohnte Gebiet, welches ich auf dieser Reise berührt habe,
erstreckt sich längs des oberen Maranön, von Yusamaro abwärts bis Puerto Melendez am
Pongo de Manseriche; in diesem Gebiete wohnen sie in kleinen, weit voneinander gelegenen
Ansiedlungen dicht am Ufer des Flusses. Wie mir mitgeteilt wurde, sollen ihre Haupt
siedelungen an den Nebenflüssen weiter aufwärts liegen. Oberhalb Yusamaro sollen jetzt
keine Indianer mehr Vorkommen, doch sollen sie früher bis zum Pongo Rentema gewohnt
haben, von wo sie sich aber wegen Streitigkeiten mit den Weißen oder vielmehr Mestizen
nach und nach den Maranön hinunter gezogen haben. Von eigentlich festen Wohnsitzen
kann man überhaupt nicht reden, denn, obwohl sie lange Zeit an einem Orte wohnen und
ihre Wohnungen verhältnismäßig fest gebaut sind, sollen sie doch häufig ohne anscheinend
besonderen Anlaß ihre Siedelungen verlassen, um sie weiter davon entfernt wieder von
neuem einzurichten.
Nach Bastian bildeten die Aguaruna, Antipa, Huambisa und Murato zusammen den
Volksstamm der Jibaro, die sich sowohl früher der vollständigen Unterwerfung durch die
Inca, als auch später derjenigen durch die Spanier widersetzten. Die Nachrichten der alten
Geschichtsschreiber über die Jibaro passen noch heute auf die Aguaruna, die so stolz,
tapfer, freiheitsliebend und dabei gastfreundschaftlich sind, wie man es früher den Jibaro
nachsagte.
Mit den Antipa leben die Aguaruna in Freundschaft, dagegen sind sie Feinde der Huam
bisa am Santiagoflusse, und ich habe bemerkt, daß es für sie eine große Beleidigung ist,
sie Huambisa zu nennen.
In früheren Jahren sind die Indianer bis Bella Vista und später noch bis Bagua Chica
gekommen, um Papageien und andere Tiere gegen Gebrauchsgegenstände einzutauschen.
Im Jahre 1845 (nach Raimondi) zerstörten die x\guaruna zu gleicher Zeit die von Mestizen
1 Der Verfasser ist vor der Durchsicht der Korrektur
am 2. Juni 28 gestorbm. 1848 geboren, ging er 1875
als Ingenieur nach Peru, wo er fast 50 Jahre lebte.
Seine archäologischen Sammlungen wurden von der
peruanischen Regierung angekauft und in einem Mu
seum, das den Namen des Verstorbenen trägt, in Lam-
bayeque, später in Chiclayo vereinigt. Dubletten dieser
Sammlung finden sich im Museum für Völkerkunde
in Hamburg.